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Wie eine Struktur weiter Sinn macht

50 Jahre Laienräte im Bistum Aachen: eine Standortbestimmung

Datum:
Di. 11. Sep. 2018
Von:
Thomas Hohenschue
Häufig sind Jubiläen ein Anlass, voller Freude und Zuversicht zu feiern, auch bei der Gemeinschaft eines Bistums. Man zieht gemeinsam ein Zwischenfazit und schaut gemeinsam in die Zukunft. So könnte es auch beim 50-Jährigen der katholischen Laienräte sein.
Mechthild Jansen (c) Thomas Hohenschue
Mechthild Jansen

Es gibt Diözesen, da geschieht das. Nicht so im Bistum Aachen. Da wird am 29. September ein Fachtag veranstaltet vom Diözesanrat der Katholiken. Hochkarätig besetzt, sicherlich spannend – aber wie ein Fest wirkt das zunächst einmal nicht.

Der Prophet gilt im eigenen Land nichts, lautet ein geflügeltes Wort. Trifft das auch auf die Aachener Art und Weise zu, das Zweite Vatikanische Konzil im Leben der Diözese durchzudeklinieren? Die lange Zeit vitale Sozialpastoral ist das eine, das bundesweit für Aufsehen und Anerkennung sorgte. Und die lange Zeit mutige, ideenreiche Form, nicht geweihte Frauen und Männer an der Verantwortung für kirchliches Leben zu beteiligen, das andere. Um beides ist es still geworden im Bistum Aachen, andere Themen drängen sich in den Vordergrund. Gibt es also nichts zu feiern?

Eine Spurensuche im Gespräch mit dem Diözesanrat der Katholiken ergibt ein differenziertes Bild von der aktuellen Situation. Am Tisch sitzen: der Vorsitzende Lutz Braunöhler, die Geschäftsführerin Mechtild Jansen und Vorstandsmitglied Benedikt Patzelt, der als Chef des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Aachen auch Vorsitzender des Diözesanverbänderates ist. Schon allein diese Aufzählung wirkt auf Außenstehende sperrig. Die Unübersichtlichkeit der Gremienlandschaft ist sicher eines der Probleme, mit denen freiwilliges verantwortliches Engagement zu kämpfen hat. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verband sich innerkirchlich ein Aufbruch, der mit einem starken theologischen Impuls versehen war. Das gemeinsame Priestertum bekam Wirkkraft, allen Frauen und Männern wurde mit ihrer Taufe und Firmung dieselbe Würde und dieselbe Verantwortung für die Sendung der Kirche zugeschrieben wie Frauen und Männern, die eine geistliche Weihe erhalten. So lautet der Tenor seitdem, erst jüngst bekräftigt in einem Grundsatzpapier der Deutschen Bischofskonferenz, an dem auch der heutige Aachener Bischof Helmut Dieser mitgewirkt hat und auf das er sich, wie auch Generalvikar Andreas Frick, immer wieder beruft.

 

Demokratie und Kirche sind kompatibel

Dieses Papier trägt den Titel „Gemeinsam Kirche sein“, was auch sprachlich an die Volk-Gottes-Theologie des Zweiten Vatikanums anknüpft. Institutioneller Ausdruck dieser geistlichen Vision ist das Rätewesen, wie wir es heute kennen. Fünf Jahrzehnte besteht es nun, aufbauend auf das System der Pfarrgemeinderäte. Abgeleitet davon gibt es die Räte auf regionaler Ebene und die Räte auf diözesaner Ebene. Dieses durchlässige, von klaren Regeln geprägte Geflecht von Gremien garantierte die weltkirchlich gewollte Mitwirkung von Laien. So zieht Lutz Braunöhler noch heute das Fazit: „Demokratie und Kirche sind kompatibel.“ Als Jurist versteht er etwas vom Wert verlässlicher Systeme, die Austausch fördern und Ausgleich organisieren. Und doch sieht er auch die Grenzen des Ganzen erreicht.

 

Heute ist die Gremienlandschaft komplex

Mit den kirchlichen Strukturen ingesamt ist die Gremienlandschaft in den letzten Jahren komplex geworden. Wer blickt noch durch in diesem Wirrwarr von Begriffen, Beziehungen, Kompetenzen? Kaum eine Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) gleicht der nächsten. Die eine besteht aus einer Pfarrei, die zweite aus 17. Die eine Pfarrei besteht aus einer Gemeinde, die andere aus acht. In mancher GdG gibt es sogar noch eine Kombination davon: eine große fusionierte Pfarrei und mehrere kleine, nicht vereinigte Pfarreien. Und da soll es eine gute Mitsprache von Laien geben können bei der Frage, wie Kirche bei den Menschen ist? Die entsprechende Satzung von 2013 versucht die Quadratur des Kreises, eröffnet möglichst breite demokratische Spielräume. Wo es genug Frauen und Männer gibt, die mitmachen wollen, soll es Gemeinde- und Pfarreiräte geben können. Gleichzeitig soll es aber auch ein gutes Modell sein, nur einen GdG-Rat zu bilden. Denn dort soll es vom Grundsatz her darum gehen, sich vom eigenen Kirchturm zu lösen, kirchliches Leben für den ganzen Sozialraum zu gestalten – in gegenseitiger Verantwortung aller Gemeinden und sonstigen Gemeinschaften.

 

Gute Papierlage – große Probleme

Von der Papierlage her ist die Satzung gut geeignet, die Ansprüche von „Gemeinsam Kirche sein“ einzulösen. Und doch ist man sich untereinander nicht einig, ob diese Unübersichtlichkeit und die Fülle der Gremien nicht alle Beteiligten an ihre Grenzen führen. Und die großen Probleme sind auch nicht gelöst: Was ist, wenn der leitende Pfarrer nicht mitzieht oder das Pastoralteam sein eigenes Ding macht? Was ist, wenn die Gemeinde selbst zu sehr die Profis einfordert und weniger auf eigene Kräfte setzt? Der kulturelle Wandel, zu dem „Gemeinsam Kirche sein“ ein weiteres Mal einlädt, ist nur zäh im Gange und von Rückschlägen begleitet. In manchem steht sich das Gremienwesen selbst im Weg. Und manche Irritationen der letzten Zeit haben vielen Engagierten in den Räten keinen Rückenwind gegeben. Vielleicht ist es diese Mischung, welche die Feierstimmung dämpft. 50 Jahre lang haben sich Abertausende von Frauen und Männern für die Kirche im Bistum Aachen engagiert, auf allen Ebenen. Wie die Zukunft dieses Einsatzes aussieht, ist offen. Die Debatte darüber soll frühestens im nächsten Jahr eröffnet werden.

Braunöhler und Patzelt (c) Thomas Hohenschue