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Lebendige Kirche
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Von Kirchturm zu Kirchturm

Vielerorts kämpfen GdG-Räte mit haus- und menschengemachten Schwierigkeiten

GdG_Nachricht (c) Thomas Hohenschue
GdG_Nachricht
Datum:
Di. 22. Nov. 2016
Von:
Thomas Hohenschue
Eines vorweg: Es gibt sie – die Leuchttürme in der Landschaft des Bistums Aachen, bei denen alles so auf dem Weg ist, wie es gewollt ist:
GdG2_Quadrat (c) Thomas Hohenschue
GdG2_Quadrat

Gemeinden kooperieren, verstehen sich zunehmend als Gemeinschaft, entwickeln passende pastorale Angebote und Dienste für die Menschen in ihren Stadtteilen und Ortschaften, setzen auf die jeweiligen Stärken ihrer Gemeinden und beteiligen Ehrenamtliche nach besten Kräften und in hoher Wertschätzung.

Dort zeigt sich also das, wofür sich auch Helmut Dieser, der neue Bischof von Aachen, einsetzt: die Haltung des „gemeinsam Kirche seins“. An anderen Orten des Bistums sieht es hingegen ganz anders aus. Teilweise schillernd, mit Aufbrüchen und Rückschlägen, das ganz normale Leben.

Kein Grund zur Sorge, weil die Richtung insgesamt stimmt. Aber es gibt Gemeinschaften der Gemeinden, die den Titel zu Unrecht tragen. Ganz düster sieht es dort aus mit der Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, Brücken zu schlagen, Kompromisse zu finden. In den übelsten Fällen pflegt man einen Umgangsstil, der nicht dem entspricht, was man unter Christen als Anstand versteht. Oder auch ganz allgemein: als gute Kinderstube.

Eine zwiespältige Zwischenbilanz, die sich da bei einem Treffen von 100 GdG-, Pfarrei- und Gemeinderäten am vergangenen Samstag in Jülich abzeichnete. Das offene Wort wurde dort gepflegt, um Erlebnisse präzise zu reflektieren und einzuordnen in ein größeres Ganzes. Und zu erfahren: Mit all den Schwierigkeiten ist man nicht alleine und es gibt viele Leute, die – wie man selbst – an der Vision einer menschenfreundlichen Kirche in den Städten und Dörfern des Bistums Aachen mitwirken.

Das bestärkte so manchen, der von so einem Mutmacheraustausch zurück musste in den Alltag einer GdG, bei der kräftig Sand im Getriebe ist. Einer, der sich sehr gut in den Untiefen des menschlichen Miteinanders in Teams und Gremien auskennt, ist Walter Lennartz. Der Organisationsberater ist mit so manchen Gemeinschaften der Gemeinden unterwegs und unterstützt sie in ihrer Suche nach künftigen pastoralen Wegen. Sein besonderer Blick gilt dabei gesunden Beziehungen – denn sie sind die Basis für gute Arbeit.

Achtsamkeit ist das Zauberwort, das Lennartz auch in Jülich nennt. Und er macht gleich deutlich, dass es ihm dabei nicht darum geht, Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten mit einer trügerischen Harmoniesoße zu übergießen und zu verdecken. Nein: Sein Thema ist, dass man sich auch kräftig streiten darf, wenn das nur mit der richtigen Kultur geschieht. Und damit meint er: ehrlich fragen, authentisch reden, interessiert zuhören – und auch einmal schweigen. Wenn man im gegenseitigen Respekt Standpunkte nebeneinander stehen lassen kann, im offenen Diskurs gemeinsam Lösungswege entwickelt: Dann kann wirklich Gutes aus dem Miteinander entstehen.

 

Manche Fallbeispiele sind erschütternd

Und genau darin scheint mancherorts der Hund begraben. Kernproblem, so wie es sich in Jülich beim Räte-Austausch darstellte: Über den eigenen Kirchturm hinauszudenken, ist Beteiligten in diesen Fällen nicht möglich. Für sie hat die Welt noch so zu sein, wie es früher der Fall war: klein, überschaubar, vertraut. Besitzstände werden mit Zähnen und Klauen verteidigt. Vertrauen zu Nachbargemeinden? Fehlanzeige. Zusammenarbeit mit Fremden? Nicht denkbar. Die eigenen Möglichkeiten mit anderen teilen? Wie kommen Sie auf die Idee? Auf gut Deutsch: Vor lauter Kirchtürmen sieht man die Glaubensgemeinschaft nicht mehr, in deren Zeichen auch diese Leute unterwegs sein wollen. Manche Fallbeispiele, die in Jülich in großer Offenheit besprochen wurden, sind erschütternd.

Oft geht es um Macht. Es gibt GdG im Bistum, in denen in diesem Jahr satzungswidrig die Mitgestaltung gewählter Christen ausgehebelt wird, indem der GdG-Rat gar nicht erst tagen darf. Oder Beschlüsse des Gremiums werden einfach vertagt, verschleppt, ignoriert, hintertrieben oder konterkariert. Da spielen zuweilen leitende Pfarrer oder andere Mitglieder des jeweiligen Pastoralteams eine Rolle, die man mit Blick auf ein gelingendes Miteinander nur als unrühmlich bezeichnen kann. Ihnen ist die Satzung aus Aachen schnuppe, sie machen, was sie wollen.

Es gibt allerdings auch ganz andere Beispiele, in denen die Geistlichen wesentlich weiter sind als manche Mitstreiter in ihren Gremien. Das ist gar nicht so selten. Die pastoralen Mitarbeiter haben dann die undankbare Aufgabe, Grabenkämpfe zu moderieren. Im besten Fall gelingt es ihnen mit langem Atem und großem Geschick, Vertrauen aufzubauen. Oft genug aber haben sich die Kontrahenten so ineinander verkeilt, dass sich eine unwürdige Situation an die nächste reiht.

Dass trotzdem Engagierte an Bord bleiben, zeugt von Leidensbereitschaft und einem Idealismus, der an und über Grenzen führt. In die Fassungslosigkeit angesichts der menschlichen Abgründe, die sich an manchen Orten im Bistum auftun, mischte sich in Jülich eine gewisse Ratlosigkeit. Jede einzelne problematische Situation vor Ort verdient eine genaue Sicht. Ein Patentrezept, eine pauschale Lösung für alle, gibt es nicht. Was hilft, ist der Blick nach rechts und links, auf die guten Beispiele, auf die Orte, wo das immer besser klappt mit dem „gemeinsam Kirche sein“. Von den Erfahrungen dieser Mitchristen lässt sich lernen, wie man über den eigenen Kirchturm hinaus schaut – und sich den wirklich drängenden Fragen des Glaubens und Lebens zuwendet.

GdG_Quadrat (c) Thomas Hohenschue
Kirchtürme (c) Thomas Hohenschue