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Raus aus der Nische, aber bitte mit Profil

200 Menschen diskutierten in Aachen die Lage des fairen Handels

10_Podiumsdiskussion (c) Kathrin Albrecht
10_Podiumsdiskussion
Datum:
Mi. 4. März 2015
Von:
Kathrin Albrecht
Menschen – vor allem aus entwicklungsschwächeren Regionen der Welt – ein gerechtes Einkommen sichern, das ist die Idee des fairen Handels. Seit Mitte der 90er Jahre erobern Fairtraide-Produkte auch die Regale in Supermärkten.

Jüngste Medienberichte lassen bei Verbrauchern jedoch Zweifel aufkommen: Sind die Arbeitsbedingungen auf Bananenplantagen wirklich human? Werden Umweltstandards beim Teeanbau eingehalten? Ist die Qualiät der Produkte wirklich gut? Und hilft der faire Handel wirklich noch denen, denen er ursprünglich helfen sollte? Fragen, die auch das Bündnis „Fairhandel(n) in Aachen“ bewegen und dazu veranlassten, in einer Podiumsveranstaltung mit dem Titel „Wie fair ist der faire Handel?“ zu diskutieren.


Fair Trade International ist häufig Gegenstand kritischer Berichte

Im fairen Handel sind Akteure mit zum Teil sehr unterschiedlichen Zielsetzungen unterwegs. In Deutschland sind vor allem die Weltläden bekannt, daneben arbeitet die Gepa, ein Zusammenschluss kirchlicher Einrichtungen, unter anderem der Hilfswerke Misereor, Brot für die Welt und des Bundes der Katholischen Jugend, für die Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kleinbauern und -produzenten. Ähnlich wie die Weltläden arbeitet auch „Contigo“ mit lokalen Produzenten vor Ort zusammen, um die Produkte dann in Deutschland zu vertreiben. Hier arbeiten im Gegensatz zu den ehrenamtlich strukturierten Weltläden hauptamtliche Mitarbeiter in den Filialen.


Werden die Standards verwässert und auch andere Ziele verfehlt?

Besonders das Netzwerk Fairtrade International, mit Fairtrade Deutschland auf nationaler Ebene, das weltweite Standards für die Produktion fair gehandelter Produkte festlegt und diese regelmäßig durch die Zertifizierungsorganisation Flo Cert kontrollieren lässt, ist Ziel der Kritik. Die Öffnung der Standards für weltumspannende Konzerne wie Nestlé oder Starbucks verwässere das Profil der Organisation, heißt es bei Kritikern.

Fairtrade arbeite nicht transparent genug, lautete ein anderer Vorwurf. Der schwerste Vorwurf in dieser Hinsicht: Der faire Handel erreiche die Ärmsten der Armen nicht, unter anderem auch deshalb, weil die Zertifizierungskosten für die Produzenten die Erträge um ein Vielfaches überstiegen. Zu diesen Vorwürfen bezog Martin Schüller von Fair Trade Deutschland Position. Vor allem die ersten beiden Kritikpunkte ärgerten ihn, weil ihnen schlechte Recherche zugrunde lägen.

Fair Trade Deutschland nimmt auf seiner Webseite ausführlich zu allen Kritikpunkten Stellung, so auch im jüngsten Fall, dem Vorwurf von gefährlichen Pestizid-Einsätzen auf einer Teeplantage im indischen Assam. Nicht ganz entkräften konnte er den letzten Kritikpunkt, wies jedoch darauf hin, dass 50 Prozent der Gesellschafter von Fair Trade die Produzenten direkt seien. Auf ihren Wunsch hin arbeite Fair Trade auch an der weiteren Öffnung der Märkte.

Die Wirkung von fairem Handel untersuchte Amelie Bernzen von der Universität Köln. Ihr Ergebnis: So unterschiedlich wie die Akteure sei auch die Wirkung des fairen Handels. „Von ,hilft wirklich‘ bis ,hilft gar nicht‘ reicht das Spektrum der Untersuchungen“, führte sie aus.

Die Podiumsteilnehmer Fritz Bock, Geschäftsführer des Weltladens in Aachen, Wilfried Wunden, Referent bei Misereor, einem der Gepa-Gesellschafter, und Ingo Herbst, Gründer von „Contigo Deutschland“, sehen vor allem die Öffnung der Märkte skeptisch. Sie fürchten um den Verlust eines klaren Profils von fair gehandelten Produkten. Zwar sei es richtig, den fairen Handel aus dem Nischendasein zu holen, „der faire Handel darf sich jedoch nicht verheben“, warnte Wilfried Wunden.


Es geht darum, welche Wirtschaft und Gesellschaft wir haben wollen

Fair gehandelte Produkte stehen nach wie vor hoch im Ansehen der Verbraucher, auch die Prinzipien der Idee sehen die meisten positiv, das zeigten die Diskussionsbeiträge der rund 200 Zuhörer, die ihrerseits Fragen an die Diskussionsteilnehmer stellen durften. Sie begrüßen das breite Angebot der fair gehandelten Produkte, gerade auch in den konventionellen Supermärkten. Kritische Berichte sehen sie nicht als Grund an, keine Fairtrade-Produkte mehr zu kaufen, vielmehr sollten diese Berichte als Herausforderung begriffen werden, sich mehr mit dem Thema auseinanderzusetzen und nicht nur blind nach Logos zu kaufen.

Auch Jürgen Sokoll, Vorsitzender des Vereins „Eine Welt Netz NRW“ betonte, dass alle Akteure, egal ob Weltladen, Contigo, Gepa oder Fair Trade, letztendlich das Gleiche wollten. Daran sollten sie sich bei aller Unterschiedlichkeit immer erinnern. Letzendlich gehe es darum, was wir für eine Wirtschaft  und Gesellschaft haben wollten, sagte Sokoll. Die Frage danach könne nur der Verbraucher mit seiner Kaufentscheidung beantworten.