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Alles hat Regeln, Gesetze, Gehirn –

ein Gespräch mit KolumbianerInnen, die im Bistum Aachen leben

Freiwillige (c) Diözesanrat
Freiwillige
Datum:
Mi. 19. Apr. 2017
Von:
Nicole Gabor
Leo, Jenny und Freddy haben sich entschieden in Deutschland zu leben, wenigstens für eine gewisse Zeit. Sie alle drei sind über verschiedene Programmen ins Bistum Aachen gekommen, um hier zu studieren oder als Freiwilliger zu arbeiten.

Doch wie ist es für jemanden vom anderen Ende der Welt in Deutschland zu leben? Nicole Gabor, Referentin beim Diözesanrat, traf sich mit den drei KolumbianerInnen, um mit ihnen über ihr Leben in Aachen und ihre Heimat Kolumbien zu sprechen.

Natürlich ist eine der ersten Fragen an die KolumbianerInnen, ob sie denn ihre Heimat vermissen. Sie leben schließlich für eine lange Zeit entfernt von ihrer Familie und ihrem gewohnten Umfeld. Leo, der seit Juli 2014 mit einem SDVF-Freiwilligeneinsatz über die KJG nach Deutschland kam und mittlerweile eine Ausbildung zum Koch in der Jugendbildungsstätte Rolleferberg des BDKJ macht, ist da ganz ehrlich. Er vermisst Kolumbien, seine Familie, die Lebensweise. Das ist vielleicht auch der Grund, warum er sich sehr stark in der Kolumbien-Gruppe ColAachen (Colombianos en Aachen) der RWTH engagiert. Die Gruppe organisiert neben Konzerten auch politische Diskussionsrunden und versucht so ein wenig kolumbianisches Lebensgefühl in die studentische Gemeinschaft zu bringen.

Auch wenn Leo Kolumbien vermisst und viele Unterschiede zwischen der deutschen und kolumbianischen Lebenswelt feststellen kann, ist er froh hier zu sein. Er fühlt sich sicherer. „Der Krieg ist immer präsent, man ist immer auf der Hut. Letztens habe ich überlegt, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben frei leben kann."

Leo sowie Jenny kommen aus der Hauptstadt Kolumbiens Bogotá. Auf die Frage, ob es denn in der Stadt Bogotá auch ein unsicheres Gefühl gibt, wenn man unterwegs ist, sind sich die drei KolumbianierInnen einig. „Man sitzt im Bus und schaut immer um sich, wo denn eine Gefahrenquelle lauern könnte. Auch wenn der Konflikt nicht so stark in Bogotá ausgetragen wurde, kann immer was passieren. Das hat man im Kopf",erzählt Jenny, die als Stipendiatin des KAAD (Katholischer Akademischer Ausländer-Dienst) an der KatHO ihr Masterstudium in Sozialer Arbeit macht, das von der San-Pedro-Claver-Stiftung des Bistums gefördert wird, und seit September 2016 in Aachen lebt.

Auch für Freddy ist die Sicherheit in Deutschland eine Erleichterung. Er kommt aus der Stadt Medellín, die vielen Leuten durch das Medellín-Kartell des Drogenbosses Pablo Escobar bekannt ist. Noch immer herrscht in der Stadt ein Bandenkrieg und „unsichtbare Grenzen", wie sie Freddy nennt, durchqueren die Stadt. Diese sollte man bloß nicht überschreiten, denn dann könnte es gefährlich werden.

Deswegen gefällt es Freddy in Deutschland gut. „Alles hat Regeln, Gesetze und Gehirn. Alles ist organisiert". Manchmal zu sehr, laut Freddys Geschmack, doch es erleichtert das Zusammenleben sehr. Der 35-Jährige ist zum dritten Mal in Deutschland. Er war einer der ersten Freiwilligen, die aus Kolumbien im Bistum Aachen ihren Freiwilligeneinsatz machten. Das war im Jahr 2008. 2014 begleitete er als Übersetzer und Koordinator die kolumbianische Theater-Performance-Gruppe 'Teatro Viento' zur Heiligtumsfahrt nach Aachen. 2016 kam er dann wieder, um seinen Bachelor in Sozialer Arbeit an der KatHO in Aachen zu machen. „In Deutschland kann man sicher sein, dass das Zusammenleben auf Gerechtigkeit beruht. Das ist der Vorteil, wenn man so ein gutes Gesetz und feststehende Regeln hat." In Kolumbien ist das nicht der Fall. Es gelten oft Regeln, die nicht auf dem Papier stehen. Dagegen stehen die demokratischen Regeln nur auf dem Papier und werden nicht umgesetzt. Das kann von Vorteil sein, zum Beispiel, wenn niemand die Polizei ruft, weil es auf einer Party zu laut her geht. Aber in vielen Fällen ist es ein Nachteil.

Auch das Stichwort „Familie" fällt bei allen drei KolumbianerInnen, wenn es darum geht, zu überlegen, was sie am meisten vermissen. In Kolumbien hat die Familie einen großen Stellenwert. Man bleibt zusammen und es ist nicht üblich, weit weg von der Familie zu wohnen. Hier in Deutschland ist das anders. Das ist allen Dreien aufgefallen. Man verlässt die Familie sehr früh, um seinen Weg zu gehen, zum Beispiel zu studieren oder eine Ausbildung zu machen. Dafür nimmt man es in Kauf, weit weg zu wohnen und die Familie wenig zu sehen.

Derzeit ist das bei den Dreien nicht anders. Sie sind im Kontakt, aber durch die Zeitverschiebung ist es gar nicht so einfach, regelmäßig mit der Familie bzw. mit Freunden zu telefonieren oder sich über Skype zu sehen. Deswegen freuen sich Leo und Freddy, wenn sie Ende des Jahres ihr Heimatland für einige Wochen besuchen können.