Kolumbiendelegation :Reisebericht Kolumbienreise 2025: Tag 11 bis 15

Das Schwerpunktthema „Demokratie in Gefahr“ wurde gewählt angesichts der weltweit zunehmenden Stärke populistischer und nationalistischer Strömungen, die demokratische Institutionen und Werte herausfordern. Rund 90 Teilnehmende – darunter die Delegation des Diözesanrats sowie Vertreterinnen der Jugendverbände des BDKJ – kamen zusammen. Mit ihnen diskutierten Vertreterinnen aus Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft.
Die Tagung begann mit drei Impulsvorträgen, die später in vertiefenden Workshops aufgegriffen wurden:
- Taita Manuel Antonio Ussa Tunubalá, ein indigener Würdenträger des Misak-Volkes und Professor an der Universidad Indígena Misak-Ala Kus Reek Ya, eröffnete mit einem traditionellen Ritual und sprach über „die Heilung des Territoriums als Form der Regierung und Ausdruck territorialer Souveränität“.
- Martha Lisbeth Alfonso Jurado, Abgeordnete im kolumbianischen Repräsentantenhaus für Tolima, thematisierte den globalen Populismus und die Herausforderungen für demokratische Werte.
- María Paula Torres Trujillo, Soziologin mit Schwerpunkt Gender und Kultur, sowie Professorin an der Universität von Caldas, beleuchtete die Bedeutung von Divergenz und Intersektionalität in demokratischen Gesellschaften.
Den Abschluss der Tagung bildete die Verabschiedung eines gemeinsamen Positionspapiers. Dieses sowie weitere Informationen zur Dialogtagung 2025 sind hier online abrufbar.
Am folgenden Tag fuhr die Delegation weiter ins regnerische Bogotá.
Am Donnerstag, dem 24. April, teilte sich die Gruppe, um zwei Termine wahrzunehmen:
1) Besuch der kolumbianischen Bischofskonferenz
2) Besuch der deutschen Botschaft in Bogotá
Bei der Bischofskonferenz wurden wir von Padre Mauricio Rey Sepúlveda (Leiter der Sozialpastoral), Padre Juan Manuel Beitrag (verantwortlich für Ordensleute, Diakone und Priesterseminare) sowie Schwester Arelis Gavaria Montoya (Leiterin der Laienarbeit und erste Frau in dieser Funktion) empfangen. Den Termin hatte Claudia Witgens organisiert, die vom Bistum Aachen für die Partnerschaftsarbeit in die kolumbianische Bischofskonferenz entsandt wurde.
Zentrale Themen des Austauschs waren die Kinder- und Jugendarbeit in den Gemeinden sowie die Rolle von Frauen in der Kirche. Ähnlich wie in Deutschland engagieren sich auch in Kolumbien viele Frauen in organisatorischen und unterstützenden Bereichen – jedoch weitgehend im Hintergrund. Eine spezifische Frauenpastoral existiert nicht, es gibt lediglich einzelne Projekte. Schwester Arelis betonte, dass Frauen in der katholischen Kirche nach wie vor kaum gehört werden. Zwar zeigten Umfragen unter den kolumbianischen Priesterseminaren ein wachsendes Interesse an weiblicher Beteiligung – dennoch ist der Weg zur vollen Gleichstellung noch lang.
Marie-Theres Jung, Vorsitzende der kfd im Bistum Aachen, berichtete, dass Frauen in einigen Gemeinden Aufgaben übernommen haben, die traditionell Priestern vorbehalten waren – ein Wandel, der einst gegen die römische Vorgabe begann, inzwischen aber als selbstverständlich gilt. Regina Schulz, ebenfalls Vorsitzende der kfd, hob hervor, wie wichtig es sei, dass sich Frauen zusammenschließen, um ihre Stimme hörbar zu machen. Ein Fakt, der uns als Gruppe sehr beeindruckt hat, war die Fußwaschung einer Transfrau durch Kardinal Luis José Rueda Aparicio am diesjährigen Gründonnerstag. Damit setzte er ein eindeutiges Zeichen, dass alle Menschen vor Gott gleich sind, und er zeigte eine pastorale Öffnung in der katholischen Kirche in Kolumbien, an der sich das Bistum Aachen gerne ein Beispiel nehmen kann.
Ein positiver Aspekt war die Zusammenarbeit der Kirche mit indigenen Gemeinschaften. Padre Mauricio berichtete etwa von der Feier zum Jubiläum der Enzyklika Laudato si, bei der ein indigenes Ritual gezeigt wurde – trotz öffentlicher Kritik. Für die Bischofskonferenz sei jeder Mensch gleichwertig, weshalb auch die indigene Weltsicht Anerkennung finde.
Auch der kolumbianische Friedensprozess war Thema. Schwester Arelis berichtete über Projekte der Sozialpastoral zum Schutz von Kindern vor Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen, zur Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse, zur Beseitigung von Landminen und zum Schutz gefährdeter Menschenrechtsaktivist*innen. Auch im Bereich der Prävention und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs existiert mittlerweile eine spezielle kirchliche Fachabteilung.
In der Deutschen Botschaft wurden wir von Simon Herchen, dem stellvertretenden Botschafter, und drei Mitarbeitenden empfangen. Ziel des Gesprächs war es, die langjährigen Partnerschaften deutscher katholischer Organisationen mit kolumbianischen zivilgesellschaftlichen Akteuren darzustellen sowie über die Ergebnisse der Dialogtagung zu berichten.
Der Botschafter skizzierte die aktuelle politische und gesellschaftliche Lage in Kolumbien – Einschätzungen, die sich weitgehend mit den Berichten unserer Partner deckten. Besonders hob er die zunehmende Gefährdung von Aktivist*innen hervor. Auf unsere Bitte hin sagte er zu, informiert werden zu wollen, sollten Fälle von Zwangsrekrutierung Jugendlicher in unseren Netzwerken bekannt werden.
Ein weiteres Gesprächsthema war der deutsche Koalitionsvertrag und seine möglichen Auswirkungen auf die Arbeit der Botschaft. Der Botschafter äußerte diplomatisch, dass er manche geplanten Veränderungen – etwa im Bereich grüner Wasserstoff, LGBTQ+-Rechte oder Frauenförderung – kritisch sehe. Von unserer Seite aus machten wir deutlich, dass wir uns große Sorgen um die Zukunft des internationalen Freiwilligendienstes machen. Hier baten wir die Botschaft um Unterstützung, insbesondere um die Bedeutung des Dienstes für kolumbianische Partnerorganisationen zu unterstreichen. Der Botschafter betonte seinerseits die große Rolle internationaler Partner im Sicherheitsbereich – etwa durch ihre öffentlichkeitswirksame Präsenz.
Auch eine finanzielle Unterstützung durch die Botschaft in Form von Kleinstprojekten wurde thematisiert. Leider sind die Mittel stark begrenzt und meist fest an bestimmte Programme gebunden, was die Mitwirkung erschwert.
Zum Schluss betonte der Botschafter, wie wichtig ihm der Überblick darüber sei, welche Akteure sich mit welchen Inhalten in Kolumbien engagieren. Dies ermögliche gezielte Vernetzung – eine Notwendigkeit, da es in Kolumbien bisher nur wenige koordinierende Strukturen gibt. Für zukünftige Besuche lud er uns ausdrücklich wieder ein.
Den Abend ließ die Delegation des Diözesanrats bei einem gemeinsamen Abendessen mit Reflexion der zurückliegenden Tage ausklingen.
Der letzte Tag vor der Heimreise stand ganz im Zeichen der Kultur: Nach einem Arbeitstreffen zur geplanten Ausstellung – die ab dem 10. Oktober in der Annastraße zu sehen sein wird – besuchte die Gruppe das Botero-Museum.
Ferdinand Botero, ein berühmter Künstler aus Medellín, ist für seine Darstellungen voluminöser Figuren bekannt. Für ihn symbolisieren diese Formen Fülle und Lebensfreude.
Die 14-tägige Reise verging wie im Flug – reich an Eindrücken, Gesprächen und Begegnungen. Am Samstag machte sich der Großteil der Gruppe auf den Weg zum Flughafen, um die Heimreise anzutreten. Nur wenige Glückliche blieben noch ein paar Tage länger, um Kolumbien auf eigene Faust weiter zu entdecken.