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Wie umgehen mit Beteiligungssimulation?

Online zugeschaltet: der Münsteraner Theologe Michael Seewald

Michael Seewald bei VV Diözesanrat Aachen (c) Thomas Hohenschue
Michael Seewald bei VV Diözesanrat Aachen
Datum:
Mi. 22. Sep. 2021
Von:
Thomas Hohenschue

Herbst-Vollversammlung des Aachener Diözesanrats der Katholiken beleuchtete Prozesse, die den Charakter der Synodalität beanspruchen 

Das Buzzword der katholischen Kirche lautet zurzeit: Synodalität. Auf allen Ebenen finden zurzeit Beratungsprozesse statt, die dieses Etikett tragen. Der Papst hat eine weltweite Synode ausgerufen, die deutsche Kirche geht einen synodalen Weg, im Bistum Aachen bindet ein synodaler Gesprächs- und Veränderungsprozess bei Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen viele Kräfte. Aber: Steckt auch drin, was draufsteht?

Bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken am 18. September 2021 reflektierten die Delegierten die Aushandlungen in der Diözese, um mehr echte Mitsprache bei den anstehenden Beratungen zu erhalten. Jetzt, wo es bald um die künftige Gestaltung kirchlicher Strukturen und um die Zuteilung von personellen und finanziellen Ressourcen geht, werde noch einmal deutlich, dass den kirchenamtlich Verantwortlichen eine demokratische Ausgestaltung des „Heute bei dir“-Prozesses wenig vertraut sei.

Zeitweise zugeschaltet war der Herbstvollversammlung der Münsteraner Theologe Michael Seewald. Präzise zeichnete er die antidemokratischen Ressentiments nach, die in Kurie und Episkopat herrschen. Als aktuelles Zeugnis diente ihm das römische Vorbereitungsdokument für den weltweiten synodalen Weg mit dem Titel „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“, das im September 2021 herausgegeben wurde. Dort werde auf Basis eines karikaturhaften Verständnisses von Demokratie sichergestellt, dass die Bischöfe ihre kirchenamtliche Hoheit über mögliche Veränderungen behalten. Keinesfalls sollten Mehrheiten entscheiden.

Was aber soll dann die Rede von Synode? Bei allem Engagement beteiligter Laien und Bischöfe laufe auch der deutsche Beratungsprozess im Ergebnis auf eine Simulation von Beteiligung hinaus. Im Ergebnis sei eine Dreiteilung der Empfehlungen absehbar: Der erste Teil lasse sich in Verantwortung der Ortsbischöfe für ihr Bistumsgebiet umsetzen. Das betreffe oft Ziele, die sich schon längst hätten verwirklichen lassen. Der zweite Teil werde mit dem Argument der weltkirchlichen Einheit nach Rom delegiert, also der eigenen Verantwortlichkeit entzogen. Gleiches gelte für den dritten Teil, in dem sich aus römischer Sicht Veränderungen nur auf Basis eines ökumenischen Konzils begründen ließen, also dem unmittelbaren Zugriff des Papstes entzogen seien.

Michael Seewald kam vor diesem Hintergrund nicht um eine kritische Bewertung. Es dränge sich der Eindruck auf, dass es bei all diesen Prozessen darum ginge, Dampf aus dem Kessel zu nehmen und Zeit zu gewinnen, um von Kirchenvolk und Gesellschaften geforderte Reformen zu verschleppen. Wenn aber tatsächlich unter dem Etikett „Synodalität“ eher Beruhigungspillen verteilt als wirksame Veränderungen angestrebt würden, sei die Rede von „Beteiligungssimulation“ evident. Der Münsteraner Theologe verstärkte mit seiner Analyse die Erfahrungen und Bewertungen im Aachener Diözesanrat der Katholiken. Das Gremium sucht weiter Wege, mit Vernetzung und Hartnäckigkeit, gestaltenden Einfluss im Zukunftsprozess des Bistums Aachen zu nehmen. Aber die Bretter sind dick, die da gebohrt werden. Bei der Herbst-Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken überwog die Skepsis, ob die Kräfte nicht in einer Simulation gebunden werden – in einem Ausmaß, das die Grenzen eines Ehrenamts sprengt.