Unter dem Titel "Synodalität - gemeinsam auf dem Weg sein" hat der Diözesanrat der Katholik*innen bei der Vollversammlung sein Verständnis von Synodalität in einem Beschluss festgehalten.:Synodalität - gemeinsam auf dem Weg sein
Unter dem Titel "Synodalität - gemeinsam auf dem Weg sein" hat der Diözesanrat der Katholik*innen bei der Vollversammlung sein Verständnis von Synodalität in einem Beschluss festgehalten.
Beschluss der Vollversammlung des Diözesanrates am 29.09.2022
Synodalität - gemeinsam auf dem Weg sein
In der Weltkirche, in der katholischen Kirche in Deutschland, und auch in unserem Bistum nehmen wir wahr, dass Amts- und Entscheidungsträger sich unter dem Stichwort “Synodalität” darum bemühen, ihre Entscheidungen nicht mehr im Alleingang zu treffen, sondern im Einvernehmen mit möglichst vielen Christ*innen die Kirche zu gestalten. Wir freuen uns über mehr Beteiligung und offenere Diskussionen.
Wir unterstützen ausdrücklich diese Entwicklung zu mehr Synodalität, denn wir wollen als Christ*innen gemeinsam auf dem Weg sein, in den Kinder- und Jugend- und Erwachsenenverbänden, in den Gemeinden und Regionen im Bistum Aachen, mit unserem Bischof und mit unseren Glaubensgeschwistern auf der ganzen Welt.
Wir stellen fest, dass durch Synodalität allein noch nicht die Verletzungen geheilt werden, die dadurch entstehen, dass unsere Kirche Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Identität, ihrer Lebensform diskriminiert. Synodalität darf kein Trostpflaster dafür sein, dass Menschen nicht gleichberechtigt sind.
Wir fordern, dass sich das gemeinsame Unterwegs-Sein tatsächlich dadurch ausdrückt, dass wir aufeinander achten, Diskriminierungen beenden, miteinander respektvoll im Gespräch bleiben, gemeinsam im Vertrauen auf Gottes* Zukunft unterwegs sind, mit einer Hoffnung, die weiter sieht und weiter trägt, als wir bislang sehen können.
Wir stellen fest, dass auch in unserem Land die Demokratie als Ordnungsprinzip des Staates von rechten Strömungen angegriffen und verhöhnt, dass Vertrauen in demokratische Prozesse zu untergraben versucht und demokratische Werte verneint und bekämpft werden. Gleichzeitig schwingt eine Abwertung der Demokratie mit, wenn gesagt wird, dass die Kirche keine Demokratie sei und auch keine sein könne oder wenn Synodalität als bessere Alternative zur Demokratie dargestellt wird. Vielmehr entspricht die monarchische, nach Ständen geordnete Kirchenstruktur nicht mehr unserer Lebenswirklichkeit und wird auch der gleichen Würde aller Menschen nicht gerecht. Darum lehnen wir dies entschieden ab. Die sakramentale Ordnung der Kirche hingegen muss nicht durch ein monarchisches Amt zum Ausdruck gebracht werden, wie Orden und Verbände schon lange zeigen.
Wir fordern in unserer Kirche eine positive Sicht auf die Demokratie, die Einrichtung demokratischer Strukturen und dementsprechend demokratisches Handeln. Eine demokratische Strukturierung der Kirche kann umso mehr dem Evangelium entsprechen, wenn sie nicht falsch verstanden wird als beliebige Herrschaft wechselnder Mehrheiten, sondern gestaltet wird als Dreiklang von Gleichberechtigung aller Gläubigen, zeitlich begrenzter Legitimation der Verantwortungsträger*innen durch Wahl und deren Rechenschaftspflicht den Wählenden gegenüber. Demokratie kann in der Kirche funktionieren, wenn sich diese Gestaltung inhaltlich am Evangelium orientiert, für die jeweilige Zeit ausgedeutet durch den theologischen Diskurs. Demokratie funktioniert in der Kirche dann, wenn sie sich auf verlässliche Institutionen gründet, die Menschen vor Ungerechtigkeiten beschützen.
Wir stellen fest, dass Synodalität in der Gefahr steht, ausschließlich als eine freiwillige Selbstbindung der Amtsträger an die Beschlüsse von Gremien verstanden zu werden, deren Besetzung sie selbst in der Hand haben und in denen keine Beschlüsse ohne deren Zustimmung getroffen werden können. So eine freiwillige Selbstbindung ist zudem ein Zugeständnis, das jederzeit wieder zurückgenommen werden könnte, wenn auch auf Kosten der Glaubwürdigkeit und der Autorität des Amtes, und verändert in dieser Form nichts an der absoluten Macht der Amtsträger. Diese Art von Synodalität ist für uns keine zukunftsfähige Option.
Wir fordern Synodalität, die dafür sorgt, dass wir in unserer Kirche gemeinsam Verantwortung tragen und Verfahrenswege einrichten, die allen Kirchenmitgliedern ihre Rechte garantieren.
Wir verstehen Synodalität als die innere Qualität unserer Beziehungen untereinander in der Kirche. Synodalität kann nur demokratisch funktionieren.
Dafür machen wir uns stark, und dafür lassen wir uns in Verantwortung nehmen.
Begründung:
Synodalität wird häufig als Alternative zur Demokratie behandelt. In unseren Augen ist diese Frontstellung gegen die Demokratisierung der Kirche keine gute Richtung, gerade in Zeiten, wo die Demokratie von rechts bedroht wird.
Die Frage ist daher für uns nicht, ob es Demokratie oder Synodalität in der Kirche geben sollte. Sondern die Frage ist, ob die Kirche nach demokratischen Prinzipien oder weiterhin als Monarchie gestaltet sein soll.
Die Gestaltung der Kirche als Monarchie wurde entscheidend beeinflusst durch das Prinzip der absolutistischen Herrschaft in Europa vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Sie beruht außerdem auf einer Ständeordnung, in der unterschiedlichen Personengruppen unterschiedliche Rechte haben, aber nicht alle Gruppen allen Menschen offenstehen.
Beides – der Absolutismus und eine nach Ständen gegliederte Gesellschaft – wird heute zu Recht als überholt und nicht mit den Menschenrechten vereinbar betrachtet. Und dass sie am besten geeignet seien, das Evangelium in dieser Welt zum Klingen zu bringen, das wird ebenfalls zu Recht immer stärker bezweifelt.
Wir möchten mit diesem Antrag darum unser Begriffsverständnis von “Synodalität” erläutern und uns nachdrücklich für eine Demokratisierung der Kirche einsetzen – die gar nicht im Gegensatz zur Synodalität stehen muss.
Jülich, 29.09.2022