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Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – daran zerbricht man sich die Zunge

Armin Paasch, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei Misereor, erörtert gemeinsam mit seinem Kollegen, Johannes Henkel, Kolumbien-Referent bei Misereor, bei der Veranstaltung „Kolumbien und das Lieferkettengesetz: Eine erste Bilanz“, was sich inhaltlich hinter diesem „Wortmonster“ und seinem europäischen Geschwister, dem EU-Lieferkettengesetz, verbirgt. Zudem veranschaulichen sie am Beispiel Kolumbien, was sich damit für Menschen im globalen Süden ändern kann. Die Veranstaltung, zu der der Diözesanrat gemeinsam mit Misereor eingeladen hatte, war Teil der Partnerschaftswoche mit Kolumbien.

Armin Paasch, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei Misereor, erörtert gemeinsam mit seinem Kollegen, Johannes Henkel, Kolumbien-Referent bei Misereor, bei der Veranstaltung „Kolumbien und das Lieferkettengesetz: Eine erste Bilanz“, was sich inhaltlich hinter diesem „Wortmonster“ und seinem europäischen Geschwister, dem EU-Lieferkettengesetz, verbirgt.
Datum:
23. Sept. 2024
Von:
Andrea Thomas

Armin Paasch, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei Misereor, erörtert gemeinsam mit seinem Kollegen, Johannes Henkel, Kolumbien-Referent bei Misereor, bei der Veranstaltung „Kolumbien und das Lieferkettengesetz: Eine erste Bilanz“, was sich inhaltlich hinter diesem „Wortmonster“ und seinem europäischen Geschwister, dem EU-Lieferkettengesetz, verbirgt. Zudem veranschaulichen sie am Beispiel Kolumbien, was sich damit für Menschen im globalen Süden ändern kann. Die Veranstaltung, zu der der Diözesanrat gemeinsam mit Misereor eingeladen hatte, war Teil der Partnerschaftswoche mit Kolumbien.

Lieferkettengesetz

Bis zur Verabschiedung des deutschen Lieferkettengesetzes 2021 habe es eine „Schieflage im System“ gegeben, wie Armin Paasch erklärt: Handels- und Investitionsabkommen schützten Unternehmen, aber nicht die Menschenrechte und die Umwelt. Konzerne in Deutschland und Europa waren (und sind) zwar häufig als Abnehmer, Zulieferer, Dienstleister und Investor an Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Ländern des globalen Südens beteiligt, aber die Verantwortung dafür zu übernehmen, war freiwillig.

An ihrem Stammsitz konnten Konzerne kaum juristisch belangt werden. Daran hat das Gesetz, das seit 2023 in Kraft ist und an dessen Zustandekommen Misereor gemeinsam mit anderen Organisationen über die „Initiative Lieferkettengesetz“ mitgewirkt hat, erfreulicherweise einiges geändert. - Wenn auch nicht in allen Punkten so konsequent, wie wünschenswert wäre.

Mit dem Gesetz ist die Achtung der Menschenrechte erstmals Pflicht. Bei nachgewiesenen Verstößen können Bußgelder in Höhe von zwei Prozent des Umsatzes und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen ab einem Bußgeld von 175.000 Euro verhängt werden. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kontrolliert Berichte, macht risikobasierte Kontrollen und kann Maßnahmen anordnen.

Außerdem können Betroffene und Nicht-Regierungs-Organisationen Anträge stellen, haben also erstmals ein Instrument, um sich zu wehren und auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Aber, und das sind die größten Wermutstropfen, das Gesetz gilt nur für einen Bruchteil an Unternehmen (circa 4800 Unternehmen ab 1000 Mitarbeitenden, das gerade mal 0,14 Prozent), es gibt keine echte Pflicht zur Wiedergutmachung und keine Regel zur zivilrechtlichen Haftung, außerdem sind nur punktuelle Umweltstandards erfasst. Es bleiben Schlupflöcher.

Auf das deutsche folgt das europäische Gesetz, „dass in einigen Punkten erfreulicherweise weitergeht“, wie Armin Paasch erläutert. So macht es unter anderem die Wiedergutmachung und die Beteiligung der Betroffenen verbindlich und berücksichtigt weitreichendere Umweltabkommen, wie Biodiversität oder Meeresschutz. „Der entscheidende Gewinn ist, es gibt eine zivilrechtliche Haftung“, erklärt der Misereor-Referent. Unternehmen müssen für Schäden geradestehen, die sie mitverursachen.

Doch auch hier gilt, wo Licht, da Schatten: So würde der Kreis, der Unternehmen, auf die das Gesetz anwendbar ist, noch enger. Kriterien sind 1000 Mitarbeitende und ein Umsatz von mindestens 450 Millionen, womit für Deutschland nur noch etwa 1000 Unternehmen übrigbleiben würden. „Wirklich blamabel“ ist jedoch aus Armin Paaschs Sicht, dass Deutschland sich bei der Abstimmung im Mai enthalten hat, auf Drängen der FDP. Auch der Widerstand der Wirtschaft sei immer noch groß („Viele Unternehmen waren so lange dafür, wie es freiwillig war.“). Interessant dürfte nun werden, wie die Bundesregierung das EU-Gesetz in deutsches Recht überführt. Nach Ansicht der Initiative darf dabei das Schutzniveau des bereits bestehenden deutschen Lieferkettengesetz nicht abgeschwächt werden.

Im Anschluss berichtete Kolumbienreferent Johannes Henkel über die Situation im Partnerland des Bistums Aachen. Schwerpunkt war dabei der Kohlebergbau und seine Folgen für die Bevölkerung, unter anderem Gesundheitsbelastungen durch Staub und verschmutztes Wasser, Wassermangel, wenig neue Arbeitsplätze, dafür ein Rückgang von traditionellen Einkommensmöglichkeiten wie der Viehwirtschaft.

Was das mit uns zu tun hat? „Wir haben in der Energiekrise auch auf Kohle aus Kolumbien zurückgegriffen“, berichtet Johannes Henkel. An den durch den Abbau von Kohle entstehenden Ewigkeitskosten beteiligten sich die deutschen Unternehmen jedoch nicht und auch nicht an der Beseitigung von Umweltschäden. Das forderten jedoch ihre Partner vor Ort: Ausländische Unternehmen sollen Verantwortung übernehmen und sich an den Kosten und einer gerechten Transformation beteiligen, die Bevölkerung soll eingebunden werden, zum Beispiel bei der Planung und Umsetzung erneuerbarer Energien. Noch werde die Übernahme von Verantwortung ganz oft mit einem Besitzerwechsel der beteiligten Firmen verweigert.

Hier hat das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz das Potential etwas zu verändern, Unternehmensverantwortung und die Achtung von Menschenrechten durchzusetzen und den Betroffenen Zugang zu Rechtsmitteln zu verschaffen, Wiedergutmachung und Entschädigung durchzusetzen. Dafür muss es jedoch noch bekannter werden, bei den Betroffenen vor Ort wie bei einer breiteren Öffentlichkeit hier bei uns. Etwas, wofür sich Misereor, aber auch der Diözesanrat stark machen.