70 Frauen und Männer erörterten in Aachen konkrete Möglichkeiten
Eine Erderwärmung, die mit voller Wucht einsetzt. Eine Naturzerstörung, die unübersehbar ist. Ein Artensterben, das schockiert. Der Dramatik und Dimension menschengemachter Veränderungen werden die bisherigen politischen Maßnahmen überhaupt nicht gerecht. Was ist zu tun? Eines ist auf jeden Fall klar: Auf andere zu warten, ist die ganz falsche Antwort. Wir alle sind gefragt.
Vermeintlich ungewöhnliche Koalitionen taten sich am 7. März in Aachen auf, um sich diesen Fragen zu widmen. Beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor trafen kirchliche Akteure auf kommunale Vertreter und zivilgesellschaftlich Engagierte, zum Beispiel der Fridays-for-Future-Bewegung. Sie alle ließen sich dabei von Gästen aus dem Partnerland des Bistums Aachen, Kolumbien, inspirieren, welche aus ihren Erfahrungen in lokaler nachhaltiger Entwicklung berichteten.
Dieser Blick aus der Weltkirche inspirierte: Die kolumbianische Anwältin Natalie Allrogen, die zurzeit beim Südwind-Institut mitarbeitet, zeigte die Schattenseiten der Globalisierung auf. Wenn wir hier in Deutschland zum Beispiel günstiges Pflanzenöl und Bananen aus Kolumbien konsumieren, hat das in der Regel fatale Folgen für die soziale und wirtschaftliche Situation im Herkunftsland: Raubbau, Landvertreibung, Monokultur, Preisdrückerei.
Auch Steinkohle und Gold werden unter miserablen Bedingungen im großen Stil in Kolumbien abgebaut und in andere Länder exportiert. Die Zerstörung und Vergiftung der Natur vor Ort ist eklatant, die lokale Bevölkerung entrechtet, vertrieben, entwürdigt und wirtschaftlich ruiniert. Solange sich die Regierungspolitik auf diese Ausbeutung von Bodenschätzen fokussiere, gebe es wenig Handhabe gegen Recht brechende Grundbesitzer und Konzerne, hieß es in Aachen.
Was tun? Menschen, die vor Ort etwas bewegen, sagen: nicht auf andere warten, sondern selber handeln. Darüber baut sich schon von alleine Druck auf Verantwortliche auf, ihre Politik zu ändern. Padre Luis Carlos Hinojosa Moreno unterstützt als Direktor der Sozialpastoral im kolumbianischen Bistum Quibdó Initiativen, die konkret gegen ökologische, soziale und wirtschaftliche Missstände vorgehen. Die Kirche ist hier gut vernetzt mit zuständigen Behörden, Basisorganisationen und der Wohlfahrtspflege. In der so geförderten Selbsthilfe vor Ort kommt Gutes zu Stande.
Das ist auch die Erfahrung von Claudia Witgens, welche in der kolumbianischen Millionenstadt Cali als Fachkraft lokale Nachhaltigkeitsprojekte fördert. In punkto Umweltschutz ist das Gemeinwesen dort vielfach noch nicht gut aufgestellt. Im Sinne einer Graswurzelbewegung unterstützt Witgens Pioniere, die sich aufmachen, nachhaltiger zu leben und zu arbeiten. Sie vernetzt sie, macht Bildungsarbeit und und und. Man muss anfangen, etwas zu tun, und nicht darauf warten, dass sich oben etwas tut, bekräftigte sie den Impuls des Padres aus Quibdó.
Zweigleisigkeit – lokal handeln, national und international verhandeln – scheint das richtige Vorgehen zu sein, um wirklich etwas zu bewegen. Auf gesamtpolitischer Ebene rückte das Lieferkettengesetz in den Blick, um Unternehmen zu verpflichten, in ihrer gesamten Lieferkette auf die Wahrung von Menschenrechten und ökologischen Standards zu achten. Zentral ist dabei die Forderung, dass die Unternehmen für Verstöße haften und empfindlich bestraft werden.
Auch Institutionen wie die Kirche können in ihrem Wirkungsfeld viel bewegen. Das machte Thomas Ehses, Klimaschutzmanager beim Bistum Aachen, am Beispiel der Kirchengemeinden deutlich. Diese haben zahlreiche Möglichkeiten, am Klimaschutz mitzuwirken. Ein zentraler Hebel ist die energetische Sanierung der Immobilien. Teilnehmer machten deutlich, dass die Kirche auch im Beschaffungswesen, in ihrer Anlagepolitik, in der Bewirtschaftung von Land Stellschrauben an der Hand habe, nachhaltige Entwicklung vor Ort und in der Einen Welt zu fördern.
Markus Büker von Misereor schloss Kreise, indem er das leidenschaftliche Plädoyer von Papst Franziskus für eine Kirche hervorhob, die sich dem sozialökologischen Wandel verschreibt. Der Theologe ordnete das Papier des Papstes zur Amazoniensynode als Ermutigung ein, vor Ort – also auch in Deutschland – Veränderungen anzustoßen. Jenseits der binnenkirchlichen Symbolthemen enthalte „Querida Amazonia“ wertvolle Impulse für die Weltverantwortung der Kirche.
Vertiefungen der Thematik folgten, mit Vertretern von Fridays for Future in Aachen, mit kommunalen Quartiersmanagerinnen, mit Leuten aus der Fairhandels-Szene, aus Pfarreien und Verbänden. Es wurde deutlich: Es lässt sich viel tun, um regional anzusetzen und zugleich politisch Zuständige nicht aus ihrer Verantwortung für bessere Rahmenbedingungen zu entlassen.
Mit den Impulsen aus der Fachtagung wird der Veranstalter, der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen, mit seinen Kooperationspartnern weiter arbeiten. Er begleitet sowohl die Bemühungen der Diözese um mehr Nachhaltigkeit und die Positionierung der Kirche im komplexen Kohlekonflikt in der Region als auch die Kolumbienpartnerschaft des Bistums. Aus dieser vernetzten Arbeit kann viel entstehen, wie diese Fachtagung eindrucksvoll unterstrich.