Ganz gleich, wie es mit dem Contiwerk in Aachen weitergeht: Die Würde von 1.800 Beschäftigten und die Lebensperspektiven ihrer Familien sind tief verletzt worden. Ihre Sorgen und Nöte vor Gott und Mitmenschen zu tragen, das Unrecht anzuklagen, das ihnen widerfährt, und Solidarität erlebbar zu machen, waren Ziele eines politischen Abendgebetes im Aachener Dom.
Dort, wo schon öfter die Bedrängnis von Menschen ihren Ort hatte, wie Gastgeber und Dompropst Rolf-Peter Cremer skizzierte, kamen zwei der 1.800 Betroffenen zu Wort. Veit Rzembcitzky berichtete, dass die Ankündigung, das profitable Werk zu schließen, alle Träume von einem sorgenfreien und aktiven Ruhestand im kleinen Häuschen und mit Wohnmobil zerstörte. Statt weiter solide dafür arbeiten zu können, blickt er zehn Jahren Hartz IV entgegen. Tief enttäuscht ist der langjährige Mitarbeiter, für ihn war Conti immer eine feste Bank, auf die er sich verlassen konnte, wie auch umgekehrt die Firma auf ihn zählen konnte.
Als zweite sprach Nathalie als Tochter eines Conti-Arbeiters. Sie habe den Vater ihr halbes Leben lang nicht gesehen, denn er habe immer bei Conti geschuftet, war rufbereit Tag und Nacht, auch im Urlaub. Hart und lang habe er gearbeitet, all die Jahre, um seiner Familie ein schönes Leben zu ermöglichen. Nun erlebe sie den Mann, der immer stark war, völlig verzweifelt. Echte Dankbarkeit schwang in ihren Worten mit und sie würdigte ihren Vater: Von ihm habe sie kämpfen gelernt und das wolle sie nun auch. Beifall begleitete die bewegende Situation.
Nicht aufgeben, Mut zusprechen: Das taten auch die Veranstalter. Solidarität heiße, aufzustehen gegen das Imperium des Geldes, sagte Andris Gulbins für die KAB. Wenn sich Menschen wie Abfall fühlten, gebraucht und weggeworfen, stimme etwas nicht im Wirtschaftssystem. Unrecht, wie es schon der Prophet Amos acht Jahrhunderte vor Christus anprangerte, und das Umkehr erfordere, so der rote Faden beim politischen Abendgebet, vorgetragen von Dieter Spoo, Diözesanrat der Katholiken, und Anita Zucketto-Debour, Katholikenrat Aachen-Stadt.
Wir sind Gott nicht egal, schloss Pfarrer Hans-Georg Schornstein, ebenfalls vom Aachener Rat. Wir sind Gottes Ebenbild, und wo unsere Würde verletzt wird, werde auch seine verletzt und seine Botschaft werde in den Schmutz gezogen. Mit besten Wünschen für die anstehenden Verhandlungen und Demonstrationen schloss das Abendgebet, musikalisch gestaltet von Angelo Scholly an der Orgel der Kathedrale. Die Gäste verließen den Dom, gingen vorbei an seinem Zaun, wo Fotos von Laufschuhen an die kirchliche Solidaritätsaktion für Arbeitslose erinnerten. Dompropst Rolf-Peter Cremer gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass es nicht bei der Gefahr bleibt, dass Aachen in einem Jahr 1.800 weitere Schicksale in dieser Form zu beklagen habe.