Die kommenden fünf Jahre werden entscheidend für die Zukunft der EU, für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze und für den Stopp des Biodiversitätsverlustes sein. Die EU des Zusammenhalts, Fortschritts und Wohlstands braucht jetzt neue Impulse durch eine schnelle, entschlossene und sozial gerechte Umsetzung des European Green Deal. Dies ist die Aufgabe der neuen Europäischen Kommission, des neu gewählten Europäischen Parlaments, aber auch des Europäischen Rates, der die “Strategische Agenda” für die kommenden fünf Jahre formuliert. Die gemeinsame deutsch-französische Erklärung von Meseberg setzt dahingehend ein wichtiges Zeichen: Sie spricht sich für eine Stärkung des Green Deal aus, flankiert durch mehr private und öffentliche Finanzierung. Deutschland sollte dafür – zusammen mit Polen und Frankreich – im Einklang mit der kürzlich verabschiedeten Weimarer Agenda eine aktive und tragende Rolle einnehmen.
Der Green Deal muss fortgesetzt und gestärkt werden.
Der konsequente Weg zur Klimaneutralität wird von einer überwältigenden Mehrheit der Bürger*innen und der Wirtschaft in Europa unterstützt. Zusammen mit dem Erhalt der Biodiversität ist er als Basis für Wirtschaft und Wohlstand unumgänglich. Bürger*innen und Unternehmen brauchen Planungssicherheit und klare, auf die Zukunft ausgerichtete Rahmenbedingungen für ihre Investitionsentscheidungen. Daher muss der Weg zur Klimaneutralität so konkret wie möglich beschrieben und getroffene Beschlüsse konsequent umgesetzt werden:
- Der European Green Deal inklusive Maßnahmen im Natur- und Umweltschutz muss als zentrales Instrument für das Erreichen von Klimaneutralität und den Erhalt der Artenvielfalt weiterhin hoch auf der Agenda der kommenden Jahre stehen.
- Gute Arbeitsplätze sind das Fundament für soziale Gerechtigkeit. Neben Unternehmen und Investor*innen müssen sich auch Arbeitnehmer*innen darauf verlassen können, dass die Politik Voraussetzungen und Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen in der Transformation zur Klimaneutralität schafft. Dafür
braucht es die Verknüpfung von europäischen sowie nationalen Finanzhilfen und -anreizen mit Transformationsplänen der Unternehmen, die Mitbestimmung, Tarifbindung und Standorterhalt umfassen.
- Neue Initiativen müssen in den Green Deal eingebettet werden. So sollte ein „Green Industry Deal“ unter dem Dach des Green Deal die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität für Wohlstand und gute Jobs in Europa sorgen kann.
- Die Interessen und die Erschwinglichkeit für private Verbraucher*innen müssen stärker berücksichtigt werden. Ein Gelingen der Energiewende ist nur dann möglich, wenn Verbraucher*innen die Gewissheit haben, dass auch sie von diesem Transformationsprozess profitieren.
Die Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation muss im Mittelpunkt des kommenden Mehrjährigen Finanzrahmens stehen.
Um den European Green Deal und andere Initiativen umzusetzen, sind wesentlich mehr öffentliche und private Mittel nötig als bisher vorgesehen. Durch ein auf die Ziele des Green Deal ausgerichtetes finanz- und wirtschaftspolitisches Rahmenwerk müssen mehr öffentliche Mittel mobilisiert werden – ohne dass diese Gelder an sozialen Zwecken gespart werden. Zudem muss jeder eingesetzte öffentliche Euro ein Vielfaches an privatem Kapital mobilisieren.
Wir fordern:
- Ziele des Klima- und Biodiversitätsschutzes sollten in öffentlichen Haushalten in Form eines Green Budgeting verankert werden.
- Die in der Energiekrise eingeführte temporäre Abschöpfung von Zufallsgewinnen der Energiekonzerne sollte zu einer dauerhaften Besteuerung der Profite von Öl- und Gasunternehmen weiterentwickelt werden.
- Die öffentlichen Subventionen und Förderprogramme müssen in Einklang mit den Transformationsanforderungen und dem “do no significant harm principle” umgebaut werden.
- Die erfolgreiche, aber auslaufende gemeinsame Kreditaufnahme im Rahmen von “Next Generation EU” sollte für den nächsten EU-Haushalt neu aufgelegt werden, um die sozial-ökologische Transformation zu finanzieren.
Der Green Deal muss sozial abgesichert und gerecht gestaltet werden.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität benötigen Partnerländer, Mitgliedstaaten, Regionen, einzelne Branchen, einkommensschwache Bevölkerungsgruppen und Arbeitnehmer*innen deutlich mehr Unterstützung als bisher. Vor allem die Einführung des europäischen Emissionshandels für Gebäude und Verkehr (ETS II) ab 2027 wird für die EU-Bürger*innen und Unternehmen große Veränderungen bringen. Sie brauchen Planbarkeit und bedarfsgerechte finanzielle Unterstützung, um zu fossilfreien Alternativen zu wechseln
und Kostensteigerungen zu vermeiden.
Wir fordern:
- Vorhandene Förderinstrumente, wie der Just Transition Fund oder der EU-Innovationsfonds, müssen gestärkt und weitere Instrumente entwickelt werden.
- Der Umfang des Klima-Sozialfonds sollte ohne Deckelung proportional zum CO2-Preis im ETS II wachsen und die nationalen Einnahmen stärker für die Unterstützung von Haushalten mit geringem Einkommen zweckgebunden werden.
- Verbraucher*innen brauchen Rahmenbedingungen, die ihnen einen bezahlbaren, nachhaltigen Konsum ermöglichen. Staatliche Maßnahmen müssen deshalb die gewünschten Änderungen der Lebensgewohnheiten begünstigen, beispielsweise beim Umstieg vom PKW auf den öffentlichen Nah- und Fernverkehr.
- Arbeitnehmer*innen brauchen mehr Möglichkeiten für Weiterbildungen und Umschulungen in neuen oder transformierten Branchen, etwa durch einen Transformations-Erasmus oder eine Arbeitslosen-Rückversicherung.
Dieser Dreiklang – Stärkung des Green Deal, ausreichende Finanzierung und ein sozial gerechter Ausgleich – ist unverzichtbar für die nächste Legislatur. Die deutsche Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass diese Ziele Eingang in die “Strategische Agenda” finden.