Braunkohle
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Flüchtlinge
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Kolumbien
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Lebendige Kirche
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Woher kommt Kohle?

Zur Verstromung in Deutschland wird der Rohstoff aus Kolumbien importiert – mit fatalen Folgen

Kohletagung Nachricht (c) kolko e.V./Annelen Micus
Kohletagung Nachricht
Datum:
Di. 20. März 2018
Von:
Thomas Hohenschue
Seit mehr als fünf Jahrzehnten verbindet das Bistum Aachen und die Kirche von Kolumbien eine Partnerschaft. Diese ist vielschichtig und umfasst zunehmend auch die Frage der Menschenrechte.
Kohletagung 2 (c) kolko e.V./Annelen Micus
Kohletagung 2

Die Ausbeutung von Rohstoffen, konkret von Kohle, ist in diesem Zusammenhang etwas, das beide Seiten betrifft. Zeit, darüber zu sprechen und gemeinsame Initiativen zu starten. In diesem Sinne trafen sich am 17. März in Aachen 60 Frauen und Männer aus kirchlichen Gremien und Einrichtungen sowie Bürgerrechts- und Ökologiegruppen des Rheinischen Braunkohlereviers und der kolumbianischen Halbinsel La Guajira. Dort werden gerade in brachialer Weise Tagebaue erschlossen – mit fatalen Folgen für die örtliche Bevölkerung, mit Vertreibung, Wassermangel, Nahrungsmittelknappheit.

 

Wassermangel, Unterernährung, Tod, Vertreibung, Entwurzelung, Armut

Die dort gewonnene Kohle gehe zu 98 Prozent ins Ausland, skizzierte Susanne Breuer vom Bischöflichen Hilfswerk Mi- sereor. Gleiches gelte für die Wertschöpfung, denn Hauptprofiteure der exzessiven Rohstoffausbeutung seien multinationale Konzerne, hieß es bei der Tagung. Breuer verdeutlichte, dass Deutschland zwar im Inland den Steinkohleabbau beende, aber die Verstromung von Steinkohle nicht. Ein Fünftel der importierten, billigen Kohle stamme aus Kolumbien, über Rotterdam und Antwerpen eingeschifft. Wie dramatisch die Konsequenzen dieser Handelsverflechtung sind, berichtete Alejandro Rodriguez, Menschenrechtsaktivist aus Kolumbien. Auf der Halbinsel seien zuletzt 5000 Kinder unter fünf Jahren wegen Mangelernährung gestorben. Arbeitslosigkeit, Armut, Erkrankungen, Entwurzelung und Gewalt hätten Einzug gehalten. Hinzu kämen Umweltprobleme wie Zerstörung von Ökosystemen, Überflutungen in der Regenzeit und Dürre in der Trockenzeit. Bisher wurden 20 000 Menschen auf der Halbinsel mit unterschiedlichen Mitteln umgesiedelt, aber Pläne sähen eine Vervierfachung des Abbaus in den nächsten Jahren vor. Das Rheinische Braunkohlerevier hingegen blickt auf 40 000 umgesiedelte Menschen zurück, resümierte Peter Singer, Vertreter der Linken im Braunkohlenausschuss des Kölner Regionalrats. Nun gelte es, den Strukturwandel weg von der Kohleverstromung zu gestalten, Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Singer machte deutlich, dass es jetzt noch um dieselbe Zahl von Stellen gehe, welche der Bergbaubetreiber in den letzten Jahren selbst geräuschlos abgebaut hätte. Auf die Beschäftigungsquote in der Region habe der Bergbau kaum noch Einfluss. Die größere Relevanz hätten längst Forschung und Entwicklung rund um die Hochschulen errungen, hieß es in Aachen. Der Dienstleistungssektor dominiere inzwischen das Bild, Bergbau habe nur noch eine minimale wirtschaftliche Bedeutung. Gleichwohl gingen Abbau und Verstromung von Kohle mit allen Auswirkungen auf Natur, Umwelt, soziale und wirtschaftliche Situation sowie körperliche und seelische Gesundheit weiter.

 

Die Unternehmen in die Pflicht nehmen, eigene Chancen als Verbraucher nutzen

Was tun? So unterschiedlich die aktuelle Tragweite und die staatlichen Rahmenbedingungen sind, so verbindet doch die Verletzung von Menschenrechten im Grundsatz beide Regionen. Und auch in dem, was hilft, ähneln sich die Einschätzungen. Die Konzerne zu stärkerer Transparenz verpflichten, zur Garantie von Menschenrechten, zu verbindlichen Qualitätsstandards und Aktionsplänen, ökologisch, sozial, regionalwirtschaftlich, ist das eine. In manchen Feldern der Menschenrechtsarbeit hat dies bereits Früchte getragen – warum also nicht hier? Das andere ist, die Vernetzung zwischen den Initiativen zu vertiefen, Informationen auszutauschen, Öffentlichkeitsarbeit zu forcieren, um Import/Export von Blutkohle und die klimaschädliche Verfeuerung von Kohle zu ächten.

Auch Gesetzgeber und Regierungen hätten etwas beizusteuern, etwa bei Vergaberichtlinien. Kirchen und Kommunen könnten Einfluss nehmen, zum Beispiel über ihr Beschaffungswesen oder ihren Strombezug. Nicht zuletzt hätten auch die kleinen Verbraucher über ihre Kaufentscheidungen große Gestaltungschancen. Die Rolle der katholischen Kirche in Kolumbien ist noch einmal stärker als in Deutschland die eines Vermittlers und Moderators. Frieden zu schaffen in einem Land, das so lange von Bürgerkrieg beherrscht wurde, stellt eine große Herausforderung dar. Wichtiger Baustein dafür ist, für soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit zu sorgen. Das gilt gerade für die Regionen, deren Rohstoffe mit brachialer Gewalt ausgebeutet werden. Die Menschenrechtsaktivisten, die sich hier engagieren, erfahren aktuell Rückenwind von den lateinamerikanischen Bischöfen. Diese rufen in einer gemeinsamen Erklärung dazu auf, sich für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und die Interessen der Armen einzusetzen.

Kohletagung (c) Thomas Hohenschue
Kohletagung 3 (c) Thomas Hohenschue