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Lebendige Kirche
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Wenn uns Angst dominiert

Der Theologe Paul M. Zulehner beobachtet, wie Minderheiten zum Opfer von Fremdenfeindlichkeit werden

Demo Nachricht (c) Garnet Manecke
Demo Nachricht
Datum:
Di. 14. März 2017
Von:
Garnet Manecke
Auf den Flüchtlingszustrom der vergangenen Jahre reagieren die Europäer unterschiedlich: Während die einen gegen die Zuwanderung protestieren, nehmen andere die Flüchtenden auf. Das spaltet in vielen europäischen Ländern die Bevölkerung.
Zulehner Quadrat (c) Garnet Manecke
Zulehner Quadrat

Die Diskussionen um Lösungen werden emotional geführt. Wie sollen Christen auf diffuse Ängste reagieren, die der Nährboden für Fremdenfeindlichkeit sind? Paul M. Zulehner, emeritierter Professor für Sozialtheologie, gab in der Citykirche Mönchengladbach Antworten. „Entängstigt euch!“, appelliert Zulehner in seinem Buch. Dieser Appell ist auch der Titel seines Vortrags, dessen Fundament das Ergebnis einer Online-Umfrage ist, an der sich 3000 Personen beteiligt haben.

 

Was ist Angst?

„Ein zutiefst menschliches Gefühl“, sagt Zulehner. „Alle haben Angst.“ Er bezieht sich dabei auf die Psychoonkologin Monika Renz, die das Leben als einen Balanceakt versteht, bei dem das Vertrauen stärker als die Angst wird. Der Mensch hat die lebenslange Aufgabe, der Angst Vertrauen abzugewinnen. Renz sehe in Gewalt, Gier und Lüge Verteidigungsstrategien gegen die eigene Angst. „Mit der Geburt wird der Mensch aus dem Paradies vertrieben“, veranschaulicht Zulehner. „Insofern haben wir alle einen Migrationshintergrund.“

 

Was hat Angst mit Politik zu tun?

„Politik ist heute nicht rational, sondern emotional“, sagt Zulehner. Er stützt sich dabei auf den französischen Politologen Dominique Moïsi, der fragt, welche emotionalen Strömungen die Kontinente in der Welt prägen. Die asiatische Welt ist demnach durch Hoffnung geprägt. Ganz anders in den arabischen Ländern. „Der internationale Terror verdankt sich der Demütigung der arabischen Welt“, sagt Zulehner. „Kränkung zerstört Beziehungen, Demütigung schafft Kriege.“ Seit dem 11. September 2001 hat sich in Amerika eine „culture of fear“, eine Kultur der Angst, entwickelt. Mit seiner Politik verschärfe Trump die herrschenden Konflikte und stärke den Terrorismus, sagt Zulehner. „Er demütigt die ganzen muslimischen Länder mit dem Einreisestopp für Muslime.“

Europa sei ein Friedensprojekt gewesen. Der Westen Deutschlands habe sich in einem freien Europa entwickeln können und 70 Jahre Frieden erlebt. Doch seit die Wirtschaftskrise 2008 den Kontinent erreicht hat, sei auch hier eine culture of fear entstanden. Entsprechend bedrohlich ist der immer stärker werdende Rechtspopulismus. Es gebe eine Politik der Angst, die die Angst weiter schürt. Beispiele dafür seien alternative Fakten und erfundene Geschichten, die als vermeintliche Wahrheiten verbreitet werden. Der Ausspruch der Politiker, die Ängste müssten ernst genommen werden, sei banal, sagt Zulehner. „Die Frage ist: Was machen wir damit?“

 

Welche Ängste haben die Menschen?

Verlustängste und die Angst vor dem sozialen Abstieg habe es schon gegeben, bevor Schutzsuchende nach Europa gekommen seien. „Jetzt werden diese Ängste nur an ihnen fest gemacht“, sagt Zulehner. Ein Zeichen ist die Angst vor kultureller Überfremdung. „In Österreich wird eine heftige Debatte über Kopftuch und Burka geführt“, berichtet Zulehner – obwohl es in dem Land nur 160 Burka-Trägerinnen gebe. Für die Politiker sei die Debatte gut: „Keiner redet über die Arbeitslosen.“ Dass die Angst gerade Konjunktur hat, sei darin begründet, dass sich die Sehnsucht nach dem maßlosen Glück und das Versprechen ihrer Erfüllung verschoben haben. Während frühere Generationen mit einem kleinen irdischen Glück zufrieden waren und die Erfüllung des großen Glücks im Jenseits erwarteten, verweist die Gesellschaft heute auf dessen Erfüllung im Diesseits. „Deshalb wird alles immer schneller. Es herrscht die Angst, zu kurz zu kommen, weil jeder andere Mensch unterschwellig zum Rivalen meines Glücks wird“, erklärt Zulehner.

 

Gibt es Wege aus der Angst?

Die einzige Form, der Angst Einhalt zu gebieten, seien Gesichter und Geschichten. Den anderen kennenlernen. „Wenn eine junge Frau, die aktiv in der Flüchtlingsarbeit ist, sagt: ,Wir schaffen das’, kann man mal stolz sein auf eine solche Zivilgesellschaft“, betont Zulehner. Menschen kennenzulernen baue Ängste ab. Zulehner empfiehlt, sich mit dem Islam auseinanderzusetzen. „Der Islam führt zurzeit Krieg gegen den Islam.“

Demo Quadrat (c) Garnet Manecke
Demo (c) Garnet Manecke