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Weil wir keine Tiere sind

Die Debatte um die begleitete Selbsttötung berührt tiefste Fragen unserer Würde und Gesellschaft

39_Diskussion (c) Thomas Hohenschue
39_Diskussion
Datum:
Di. 22. Sep. 2015
Von:
Thomas Hohenschue
Wir werden alle sterben. Das ist unausweichlich. Über das Wie gibt es viele Vorstellungen. Die wenigsten entsprechen dem, was kommt. Angst und Ungewissheit prägen den eigenen Umgang mit dem Sterben.

 Ist die Selbsttötung ein Ausweg? Darf ich andere bitten, mir dabei zu helfen? Darf das auch ein Arzt sein? Das sind zutiefst persönliche Fragen, und einfache, rasche, grobe Antworten verbieten sich angesichts des großen Leids, das in jedem Einzelfall dahintersteht. Redet man mit Fachleuten, sprechen sich viele dafür aus, nicht in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient hineinzufunken. Je weniger der Gesetzgeber regele, umso mehr Barmherzigkeit könne man am Ende des Lebens erwarten, argumentiert zum Beispiel Andreas Jurgeleit dafür, den gesetzlichen Rahmen im Herbst nicht zu verändern: „Unser Recht ist gut, es ist sehr gut.“

 

Fortschritte sichern würdiges Sterben ab

Wer wie er als Richter am Bundesgerichtshof tätig ist, blickt auf den Kern der Debatte um assistierte Selbsttötung: Es geht um die Menschenwürde, die unsere Verfassung garantiert. Wie sieht es damit nun in der Frage des Sterbens aus? Die Fortschritte in der Palliativmedizin und der Ausbau der hospizlichen Versorgung sichern in den meisten Fällen ein würdiges Leben bis zum Schluss ab. Medikamente, die Schmerzen, Atemnot und Übelkeit bei schwersten Erkrankungen lindern, dürfen auch in einer Dosis verabreicht werden, die ein sanftes Schlummern in den Tod ermöglicht. Das nennt sich palliative Sedierung. Im Vordergrund steht dabei das Lindern von Leiden, nicht der zu erwartende Tod, und diese ärztliche Maßnahme ist auch nur erlaubt, wenn der Sterbeprozess unumkehrbar in Gang gekommen ist. Und vor allem: wenn sie dem Willen des Patienten entspricht. Gesundheitspolitiker wie Ulla Schmidt und Rudolf Henke verweisen darauf, dass sich in den letzten 20 Jahren viel dafür getan hat, dass im medizinischen Alltag der Wille des Kranken zählt. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht haben das Verhältnis zum Arzt völlig verändert. Das Selbst-bestimmungsrecht des Menschen, ein Bestandteil seiner Würde, steht im Mittelpunkt. Verstößt ein Arzt dagegen, macht er sich strafbar.

 

Wenn Menschen sich den Tod wünschen

Was aber ist, wenn ein Mensch trotz dieser Fortschritte wünscht, sein Leben vorzeitig zu beenden? Das Recht, sich zu töten, haben sie. Angehörige dürfen sie straffrei unterstützen. Aber soll künftig Ärzten oder Vereinen erlaubt werden, die Hilfe zum Sterben als Dienst anzubieten? Die Meinungen gehen auseinander. Tötung auf Verlangen ist bisher untersagt. Geht es nach vielen, bleibt das auch so. Heißt das aber, wie jetzt ein Mann bei einer Abendveranstaltung von Bischöflicher Akademie und Diözesanrat der Katholiken fragte: „Haben wir mehr Gnade für Tiere, die wir bei großem Leid einschläfern, als für Menschen?“ Die Aussage des Juristen Jurgeleit ist völlig klar: „Weil wir keine Tiere sind!“ In vielen Fällen könne man zudem nicht ausschließen, dass der freie Wille eingeschränkt sei, etwa bei psychischer Erkrankung oder in einer emotionalen Ausnahmesituation, ergänzen Henke und Schmidt. Und keinesfalls, so Alfred Etheber vom Caritasverband, dürfe es zu einer Gesellschaft kommen, in der immer mehr alte und kranke Leute aus Angst, jemandem zur Last zu fallen, den Weg der Selbsttötung beschritten.