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Lebendige Kirche
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Von der Flucht gezeichnet

Zahl der Flüchtlinge in den Familienberatungsstellen steigt

Datum:
Di. 12. Juli 2016
Von:
Andrea Thomas
In den ersten Monaten stand vor allem die Erstversorgung der Menschen, die als Flüchtlinge in die Region gekommen sind, mit allem Notwendigen im Vordergrund.

inzwischen sind viele ein Stück weit angekommen, haben eine Wohnung, die Kinder besuchen Kindergarten oder Schule. Damit hat sich auch der Unterstützungs- und Beratungsbedarf verändert. Das merken auch die Caritas Familienberatungsstellen in Aachen (für das Stadtgebiet) und Alsdorf (für den Bereich der Städteregion), die Hilfe und Beratung für Schwangere, Familien, Eltern, Kinder, Jugendliche und Fachkräfte anbieten, sowie die Beratungsstelle von „donum vitae“ für die beiden Aachener Regionen. Immer öfter suchen Flüchtlinge oder auch die Fachkräfte aus Institutionen, wie Schulen und Kindergärten, die mit Flüchtlingsfamilien zu tun haben, hier Rat und Hilfe in Familienfragen.

Ein Kind zu bekommen stellt werdende Mütter (und Väter) schon unter normalen Umständen vor große Herausforderungen. Schwanger zu sein auf der Flucht bzw. in einem fremden Land, dessen Sprache man nur unzureichend versteht und spricht, in einer fremden Kultur, mit der man nicht vertraut ist, steigert das noch um ein Vielfaches. Die Traditionen, wo und wie ein neuer kleiner Mensch das Licht der Welt erblickt, sind in vielen Ländern, aus denen die Flüchtlinge stammen, anders als bei uns. Eine Geburt findet dort noch viel selbstverständlicher zu Hause statt als bei in Deutschland, wo das Krankenhaus meist der Ort der Wahl für eine Entbindung ist. „Die Frauen müssen unser Gesundheitssystem erst kennenlernen“, sagt Gertrud Feger-Strickstrock, die bei „donum vitae“ Schwangere berät und begleitet. Viele kämen auch aus Großfamilien und seien hier nun oft auf sich alleine gestellt, ohne weiblichen familiären Beistand. In vielen Kulturen ist es zudem üblich, dass der Mann alle wichtigen Dinge regelt. „Da müssen wir erst mal klar machen, dass die Frau selbst in die Beratung kommen muss, wenn wir ihr helfen sollen.“

Dazu kommen noch Unsicherheit, Ängste und Sorgen in Bezug auf die Zukunft mit Baby. Ein Thema, mit dem das Team der Caritas Familienberatung Aachen in den Beratungen für Flüchtlinge, immer häufiger konfrontiert wird. Im ersten Halbjahr 2016 haben bereits 300 Frauen die Schwangerenberatung in Anspruch genommen, etwa ein Drittel waren Flüchtlingsfrauen, meist aus dem nicht-europäischen Ausland. In den Gesprächen sei es in erster Linie um Fragen der Existenzsicherung gegangen, um die Beantragung von öffentlichen Geldern oder Informationen über Hilfeansprüche, erläutert Leiter Paul Glar.

 

Flüchtlingsfrauen und -familien in ihren Fragen und Sorgen gut begleiten

Die Beraterinnen von „donum vitae“ haben sich schon früh mit Flüchtlingsfrauen und -familien und ihren Fragen, Sorgen und Nöten beschäftigt. Ein Anliegen auch des Trägervereins, wie Marianne Genenger-Stricker vom Vorstandsteam erklärt. Erste Kontakte seien über die der Beratungsstelle gegenüberliegende Erstaufnahmeeinrichtung in der Hauptschule Franzstraße entstanden. Außerdem gibt es eine gute Zusammenarbeit mit dem „Café Zuflucht“ in Aachen. Früh sei ihnen klar gewesen, dass hier ein Bedarf nach Unterstützung für Frauen und Familien besteht. „Wir versuchen individuell auf die Situation einzugehen und zu schauen, was brauchen diese Frauen“, sagt Marianne Genenger-Stricker. Viele der Frauen hätten auf der Flucht Erfahrungen mit (sexueller) Gewalt gemacht. Die Sammelunterkünfte seien da unter Umständen dann auch keine gute Lösung.

Um hier eine bessere Beratung und Begleitung anbieten zu können, hat „donum vitae“ Aachen bei seinem Bundesverband eine halbe zusätzliche Stelle speziell für die Beratung von Flüchtlingsfrauen beantragt. Damit wären dann auch eine aufsuchende Beratung, längere Gespräche oder die Begleitung beispielsweise zu einer ärztlichen Untersuchung möglich. Ein großes Thema mit noch vielen Unbekannten, das auch die beiden Caritas Familienberatungsstellen beschäftigt, sind Traumata, ausgelöst durch die Erlebnisse im Heimatland sowie während der Flucht. Bei vielen Flüchtlingen dauert es eine Weile, ehe sie überhaupt darüber sprechen können, Sprachschwierigkeiten tun ein Übriges. „Fachkolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen, wie Kindergärten und Schulen, wenden sich an uns, weil sie Kinder aus Flüchtlingsfamilien in ihren Gruppen und Klassen haben, die auffällig werden und sie einen Rat zum traumasensiblen Umgang mit ihnen brauchen“, berichtet Paul Glar. Darüber hinaus werde die Beratungsstelle angefragt, einzelnen unbegleiteten Jugendlichen stützende und traumaorientierte Hilfen zukommen zu lassen.

Noch sind in Alsdorf Flüchtlinge in der Beratung eher Einzelfälle, wie Leiter Claus-Ulrich Lamberty berichtet. „Wir hatten bislang erst die ein oder andere Anfrage von Fachkollegen aus Kitas, die viele Flüchtlingskinder haben.“ Doch er geht nicht davon aus, dass das so bleiben wird. „Wir haben im Juni über unseren Träger, den Verein zur Förderung der Caritasarbeit im Bistum Aachen, eine Fortbildung in Traumapädagogik gemacht.“ Sie soll helfen, Traumata durch die Flucht verstehen zu lernen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen entsprechend einordnen zu können. „Es gibt da ein sehr gutes Bilderbuch einer Hamburger Autorin in mehreren Sprachen, das es möglich macht, mit Kindern über dieses Thema zu sprechen“, sagt Claus-Ulrich Lamberty. Das könne eine gute Hilfe sowohl für Fachkräfte als auch Eltern sein.

Eine besondere Herausforderung stellen für die Berater Sprachbarrieren dar, die nicht immer durch den Einsatz von Dolmetschern ausgeräumt werden können. „Beratungsgespräche mit Flüchtlingen sind aufwendiger als andere“, stellt Paul Glar fest. Hier ist Flexibilität ist gefragt. Auch wenn die Zahlen, der neu bei uns ankommenden Flüchtlinge derzeit zurückgehen, gehen die Fachleute von einem langfristigen Bedarf aus. Sie erwarten in den nächsten Jahren eine wachsende Zahl von Kindern und Familien mit Problemen, besonders in der Traumaverarbeitung aber auch dabei, sich in unsere Kultur und Gesellschaft einzufinden und im Alltag Fuß zu fassen.

Flucht (c) www.pixabay.com