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Lebendige Kirche
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Schicksale, die auch uns etwas angehen sollten

Was Handys mit dem Bürgerkrieg im Kongo zu tun haben

Handys Nachricht (c) Harald Oppitz, Missio (c) Harald Oppitz, Missio
Handys Nachricht (c) Harald Oppitz, Missio
Datum:
Mi. 27. Juli 2016
Von:
Andrea Thomas
Auf den ersten Blick scheint es da keinen Zusammenhang zu geben zwischen unseren ständigen, inzwischen multimedialen Begleitern und dem Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo. Doch unsere globale Wirtschaftwelt zieht leider auch Konflikte nach sich.
Handys Quadratisch (c) Harald Oppitz, Missio (c) Harald Oppitz, Missio
Handys Quadratisch (c) Harald Oppitz, Missio

In Handys, Smartphones und Tablets steckt nicht nur eine Menge Technik auf kleinstem Raum, sondern auch das seltene Erz Coltan. Das stammt zu einem großen Teil aus dem Osten des Kongo, wo es reiche Coltan-Vorkommen gibt. Ein Millionengeschäft, um das ein blutiger Kampf zwischen bewaffneten Rebellengruppen und der Regierung tobt. Ausgetragen wird er auf dem Rücken der Bevölkerung, insbesondere der Frauen und ihrer Kinder. So verbinden unsere Mobilgeräte uns mit dem Leid der Menschen dort und nehmen auch uns in die Verantwortung. Das Schicksal der kongolesischen Frauen erzählt unter anderem der Dokumentarfilm „Voices of violence“ („Stimmen der Gewalt“) der Filmemacherin Claudia Schmid, der auf Initiative von Missio in diesem Jahr in Aachen seine Kino-Premiere hatte. Er erzählt von der unvorstellbaren Gewalt, der Frauen im Kongo ausgesetzt sind, von systematischer Vergewaltigung als Kriegswaffe und von einem politischen und gesellschaftlichen System, das dies zulässt. 


Thérèse Mema Mapenzi hilft traumatisierten Frauen im Kongo

Es sind weniger die Bilder, die den Film nur schwer zu ertragen machen. Es sind die Geschichten, die die Frauen gestenreich erzählen und die sich tief in ihre Gesichter und Seelen eingegraben haben. Über mehrere Monate ist die Filmemacherin durch das Land gereist und hat in den Dörfern der Rebellengebiete mit Frauen gesprochen und ihr Vertrauen gewonnen, sodass sie erstmals über ihre traumatischen Erfahrungen berichten. Rebellen haben sie überfallen, verschleppt, vergewaltigt, misshandelt und erniedrigt. Ein Martyrium, das mit der Flucht aus der Gewalt ihrer Peiniger noch lange nicht beendet ist. In ihrern Dörfern sind sie geächtet, ihre Ehemänner haben sie verstoßen. Halt finden sie aneinander und bei Thérèse Mema Mapenzi. Die junge Sozialarbeiterin und Traumatherapeutin kümmert sich im Auftrag der katholischen Kirche um die Opfer. Unterstützt wird sie dabei von Missio. Über die „Aktion Schutzengel – Für Familien in Not. Weltweit“ engagiert sich das Aachener Hilfswerk in Projekten wie der Arbeit von Thérèse Mema vor Ort. Es setzt sich aber auch für „saubere Handys“ ein: Wirbt bei den Herstellern dafür, kein „blutiges“ Coltan zu verwenden und bei uns Handy-Nutzern dafür, bewusster zu konsumieren und alte Handys zurück in den Recyclingkreislauf zu geben. „Wir hoffen, dass die Mobilfunkbranche reagieren muss, wenn wir als Konsumenten unbequem werden und fragen“, sagt Anke Reermann, Missio-Referentin im Bistum Aachen.

Sie trägt das Projekt aktiv in Gruppen und Pfarrgemeinden und hat Thérèse Mema bereits verschiedentlich bei ihren Besuchen in Deutschland begleitet. So auch vor einigen Wochen zu einer Vorführung des Film von Claudia Schmid im Soziokulturellen Zentrum Klösterchen in Herzogenrath. Thérèse Mema hat die Filmemacherin bei der Kontaktaufnahme zu den Frauen unterstützt. Nach dem Film erzählt sie von ihrer Arbeit im Kongo und versucht die Verbindungen zwischen der grausamen Gewalt in ihrer Heimat und unseren Mobilfunkgeräten deutlich zu machen. „Die Rohstoffe, wie Coltan sind unser Segen und unser Fluch. Es gibt viele Gruppen, die daran Interesse haben und unser Staat ist schwach und korrupt.“, sagt sie. Opfer dieses, wie jedes Krieges, werden vor allem die, die keine Lobby und keine Rechte haben, Frauen und ihre Kinder. Sie würden doppelt zu Opfern, zu denen der Rebellen und der Gesellschaft. In den mit Hilfe der katholischen Kirche geschaffenen Traumazentren können die Frauen über das Erlebte reden, ohne verurteilt zu werden. „Wir verdeutlichen ihnen, dass sie keine Schuld haben und suchen das Gespräch mit den Männern, um ihnen das zu vermitteln. Ihre Frauen sind unschuldig, weil sie sich nicht wehren konnten.“ Thérèse Mema appelliert an ihre Zuhörer, Freunden, Familie, Kollegen und Politikern von den im Film gezeigten Schicksalen zu erzählen: „Wir alle nutzen Handys, ohne zu wissen, dass darin Coltan steckt und wo es herkommt. Das müssen wir uns bewusst machen.“

 

Über Sammelstellen praktische Zugänge zur Eine-Welt-Arbeit schaffen

Der Gastgeber des Abends, der Förderverein Arbeit, Umwelt und Kultur in der Region Aachen, will ihr Anliegen nicht nur über den Film oder das Auslegen der Petition von Missio an die Hersteller unterstützen, sondern ganz konkret übers Sammeln alter und gebrauchter Handys. „In jeder unserer Einrichtungen (das sind unter anderem die Herzogenrather Recyclingbörse und das Gebrauchtwarenkaufhaus des Vereins) können ab sofort Mobilfunkgeräte abgegeben werden. Wir sammeln sie und geben sie dann an Missio weiter“, erläutert der Vorsitzende Wilfried Hammers. Wenn man wolle, das Menschen sich aktiv für Recycling und  Eine-Welt-Arbeit einsetzen, müsse man auch praktische Zugänge schaffen. Missio leitet die Handys – ohne SIM- oder Speicherkarten, aber nach Möglichkeit mit Akku – an „Mobile Box“ weiter, wo sie recycelt oder für eine Wiederverwertung aufbereitet werden. Persönliche Daten werden dabei mit einem herstellereigenen Verfahren gelöscht, sodass niemand befürchten muss, sensible Daten könnten so in Umlauf kommen.

Pro Handy spendet „Mobile Box“ – ein 2012 in Köln gegründetes und beim Umweltamt angezeigtes Rücknahmesystem für gebrauchte Mobiltelefone – dafür 60 Cent an Missio und seine „Aktion Schutzengel“ für Familien in der Demokratischen Republik Kongo. Eine weitere Möglichkeit, sein Handy mit ruhigerem Gewissen zu nutzen, ist das „Fairphone“ einer niederländischen Firma. Das erfordert aber derzeit Geduld, da die Produktion noch nicht so groß ist und die Nachfrage wächst. „Wobei es auch schwer ist das „fair“ über die gesamte Herstellungskette sicherzustellen“, sagt Anke Reermann. Wichtig ist: jeder kann mit seinem Verhalten etwas ändern, wenn er sich bewusst macht wie Dinge in unserer globalen Welt miteinander zusammenhängen. Von Initiativen wie der des Fördervereins, eigene Abgabestellen einzurichten und breit gestreut zu informieren, darf es daher im Bistum auch aus ihrer Sicht, gerne mehr geben.

Handys (c) Harald Oppitz/missio