Braunkohle
Braunkohle
Flüchtlinge
Flüchtlinge
Kolumbien
Kolumbien
Lebendige Kirche
Lebendige Kirche

Gute Bildung ist der Schlüssel

„Casa Hogar“ hilft benachteiligten Mädchen in Kolumbien – das Bistum Aachen unterstützt das Projekt

Casa Hogar (c) Angelika Huber
Casa Hogar
Datum:
Di. 3. Mai 2016
„Casa Hogar“ steht für „Ort der Geborgenheit“. Den möchte das Projekt jungen Mädchen in der Region Chocó bieten. Initiiert hat es ein junger Arzt aus Bonn, Theodor Rüber. Mit ihm und Msgr. Stefan Dückers, Kolumbienbeauftragter des Bistums Aachen, hat die KirchenZeitung gesprochen.

Herr Rüber, Sie sind Anfang 2015 nach Kolumbien gereist, um dort als Arzt im Praktikum zu arbeiten. Wie kam es dazu?

Theodor Rüber: Den letzten Teil meines Medizinstudiums, das praktische Jahr, habe ich in der Notaufnahme eines Armenkrankenhauses in der kolumbianischen Großstadt Cali absolviert. Dort hatte ich bereits früher im Studium ein Praktikum gemacht. Der Kontakt ging das erste Mal über meine Salsalehrerin, die Kolumbianerin war. Mein erster Aufenthalt war damals so beeindruckend, dass ich wiederkommen wollte. Viele der Probleme haben sich in der Notaufnahme des Krankenhauses gezeigt. Ein Samstagsnachtdienst mit zehn erschossenen jugendlichen Opfern von Bandenkriminalität war keine Besonderheit. So schrecklich das ist, so mitreißend war die Kompetenz und das Engagement der Ärzte, die unter sehr schlechten Bedingungen eine Menge erreichen. Wenn man, wie ich davor, nur die Hightech-Medizin aus Europa oder Nordamerika kennt, ist das eine sehr hilfreiche Erfahrung.

 

Wie ist dann der Kontakt von Cali aus in den Chocó entstanden und der Wunsch, hier zu helfen?

Auf Bischof Julio, Bischof des Bistums Istmina-Tadó im Chocó, wurde ich unter anderem durch ein Online-Video der Zeitschrift „Kontinente“ aufmerksam. Ich nahm Kontakt zu ihm auf und bat ihn, ihn besuchen zu dürfen. Er stimmte zu und zeigte mir zusammen mit seinen Mitarbeitern sein Bistum, ein völlig vergessenes Gebiet, das in den seit 50 Jahren andauernden bewaffneten Konflikt zwischen den verschiedenen Guerillagruppen und dem Staat verwickelt ist. Der Bürgerkrieg und seine Auswirkungen bieten den Bewohnern kaum eine Grundlage zum Leben, verhindern jede nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und bedrohen jede Infrastruktur durch die alltägliche Gewalt. Hilfsorganisationen sind aufgrund der fatalen Sicherheitslage kaum vor Ort vertreten. Die katholische Kirche ist eine der wenigen funktionierenden Organisationen im Chocó und aufgrund ihrer Neutralität von allen Parteien geschätzt. Sie versucht seit Jahren den Menschen Chocós ungeachtet ihrer Abstammung und Religionszugehörigkeit zu helfen. Das war so beeindruckend, dass ich den dringenden Wunsch hatte, den Chocó nicht als Unbeteiligter zu verlassen.

 

Wie ging es dann weiter? Was waren Ihre ersten Schritte in Kolumbien und später dann in Deutschland?

Ich blieb mit Bischof Julio in Kontakt und überlegte zusammen mit ihm, welche Art der Hilfe die weitesten Kreise ziehen würde. Da kamen wir relativ schnell auf ein Wohnhaus für junge Mädchen und den breiten Ausbau des Bildungsangebotes. Dann habe ich begonnen, Freunde und Kollegen anzusprechen und versucht, sie für das Projekt zu begeistern. Das hat funktioniert und war der eigentliche Glücksmoment des Projektes. Wir arbeiten nun seit neun Monaten gleichberechtigt zusammen.

 

Was sind die Ziele von Casa Hogar? Wer unterstützt Sie dabei?

Das Ziel von Casa Hogar ist es, möglichst konkrete Hilfe in einer der schwierigsten Regionen Südamerikas zu leisten. Dabei wollen wir möglichst effizient sein, das heißt, aus den Mitteln unserer Spender das meiste machen. Wichtig ist es uns, Bischof Julio und seinem Team nicht unsere Vorstellung aufzudrücken, sondern ihnen bei der Umsetzung ihrer möglichst nützlich zu sein. Die Ziele von Casa Hogar konnte und wollte ich dabei nicht alleine erreichen. Wir sind ein Team aus fünf Kolumbianern und 23 Deutschen. Verbunden sind wir durch die ehrliche Begeisterung und Tatkraft zu Gunsten der Ärmsten der Armen im Chocó. Jeder bringt dabei mit ein, was er am Besten kann. Wir haben eine Journalistin für die Pressearbeit, eine Architektin für die Bauplanung (zusammen mit ihren kolumbianischen Kollegen), einen Webdesigner für die Homepage, Experten für soziale Netzwerke und mittlerweile sogar drei Kunstbotschafter. Der Kölner Spitzenchor fiat ars, die Innsbrucker Harfenistin Magdalena Hoffmann und der Weimarer Opernkomponist Ludger Voller geben Casa Hogar ein Gesicht. Eine unerlässliche Voraussetzung der Dinge, die wir bisher geschafft haben, war allerdings die Unterstützung durch das Bistum Aachen. Manchmal ärgere ich mich über das, was kirchenpolitisch passiert, aber hier haben uns alle Verantwortlichen, allen voran Monsignore Stefan Dückers, Regens und Kolumbienbeauftragter, weit die Türen geöffnet und unsere Arbeit völlig sachlich und zielorientiert unterstützt. Das war begeisternd.

 

Was haben Sie bislang erreicht? Welche Projekte stehen als nächstes an?

Wir unterscheiden Planung, Finanzierung und Realisierung jeweils verschiedener Förderphasen: In der ersten Förderphase, deren Realisierung gerade läuft, wird ein Haus für 40 junge Mädchen gebaut, in dem sie geschützt aufwachsen und zur Schule gehen können. Der Bau hat am Aschermittwoch begonnen und wird voraussichtlich im November abgeschlossen sein. Im Januar werden die ersten Mädchen einziehen. Parallel stecken wir mitten in den Planungen für die Erweiterung einer bischöflichen Schule. Auf das einstöckige Gebäude soll ein weiteres Stockwerk gesetzt werden, nicht nur um mehr Schülerinnen aufnehmen zu können, sondern auch um zwei Klassen mehr als bisher und somit das Abitur anbieten zu können. Wir glauben, dass der einzige Weg, an den Zuständen vor Ort etwas zu ändern, über Bildung vor allem von Mädchen führt. Der Ausbau der Schule wird allerdings deutlich mehr Geld brauchen als der Bau des Wohnhauses, dessen Finanzierung bereits abgeschlossen ist, sodass wir weiter auf Spenden angewiesen sind.

 

Monsignore Dückers, wie ist Ihr Kontakt zu Theodor Rüber und dem Projekt Casa Hogar entstanden?

Stefan Dückers: Theodor Rüber lebte während seines Medizinstudiums im Paulushaus in Bonn, wo er unter anderem Domvikar Matthias Fritz kennenlernte. Dieser war vor zwei Jahren mit meinem Bruder im Chocó, wo sie auch Bischof Julio Hernando García Peláez getroffen haben. Davon hat er Theodor Rüber, der zu der Zeit als Arzt in Cali/Kolumbien tätig war, erzählt, woraufhin Theodor Rüber Bischof Julio unbedingt kennenlernen wollte. Angesichts der Armut in der Pazifikregion gelangte Herr Rüber zu der Einsicht: Da müssen wir etwas tun! Aus eigenem Erleben weiß auch ich, dass eine Entwicklung dort nur über Bildung möglich ist. Also habe ich mich mit Herrn Rüber in Bonn getroffen und habe mir sein Projekt vorstellen lassen. Er ist ein sehr rühriger junger Mann und hat es samt Mitstreitern tatsächlich geschafft, in kurzer Zeit das Geld für den Bau eines Wohnhauses für Mädchen zu sammeln.

 

Wie unterstützt das Bistum Aachen das Projekt?

Bei unserem Gespräch hat er mich gefragt, wie mache ich das am besten. Ich will keinen Verein gründen, sondern nur helfen, aber ich muss den Leuten ja auch Spendenquittungen ausstellen können. Also habe ich bei uns in der Abteilung nachgefragt, ob wir das nicht machen können für eine Handvoll Spenden pro Jahr. Im vergangenen Monat war „die Handvoll“ ein ganzer Aktenordner. Außerdem kann ich manche Türen öffnen und Erfahrungen weitergeben. Ein solches Engagement muss man einfach unterstützen. Theodor Rüber kann sehr gut Menschen mitziehen und einbinden. Das ist beeindruckend!

Das Gespräch führte Andrea Thomas. Infos: www.casa-hogar.de