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Gerade jetzt Kirche weiter mitgestalten!

Aus beruflichen Gründen legt Dr. Karl Weber sein Amt als Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Aachen nieder. Ein Interview zum Abschied

Dr. Karl Weber (c) Ute Haupts
Dr. Karl Weber
Datum:
Mi. 1. Dez. 2021
Von:
Thomas Hohenschue

Das Leben nimmt häufig ungeplante Wege. So erfährt es auch Dr. Karl Weber. Vor zwei Jahren übernahm der Theologe den Vorsitz des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Aachen. Mit großem Elan hat er sich als Teamspieler mit dem Vorstand und Vollversammlung in den aktuellen kirchenpolitischen Herausforderungen gewidmet, die Gläubige überall in der Bundesrepublik und auch im Bistum Aachen beschäftigen.
Jetzt tritt er zum 30. November 2021 von seinem Ehrenamt zurück. Es lässt sich nicht mit einer neuen beruflichen Aufgabe vereinbaren, die Dr. Weber zu Beginn des neuen Jahres antritt. Seine Aufgaben übernehmen satzungsgemäß die bisherigen Vizevorsitzenden Marie-Theres Jung und Heribert Rychert, bis eine Nachfolge gewählt ist. Thomas Hohenschue hat zum Abschied ein Interview mit Dr. Karl Weber geführt.

Herr Weber, zwei Jahre sind eine kurze Zeit!

Klar, es ist kein einfacher Abschied, zumal ich schon länger in Gremien des Diözesanrats mitgearbeitet habe. Da ich aber zukünftig beruflich in Limburg tätig sein werde, kann ich in Aachen kein Ehrenamt mehr ausüben. Das bedauere ich sehr, zumal ich die Zusammenarbeit im Vorstand des Diözesanrates und mit der Vollversammlung sehr geschätzt habe.

Was nehmen Sie aus Ihrer Tätigkeit mit?

Viele gute Begegnungen mit Menschen, die Kirche leben: vor Ort, in Initiativen oder die außerkirchlich den Diözesanrat als Verbündeten zum Beispiel in sozialen Fragen oder Umweltfragen sehen. Das Papier der Vollversammlung aus dem Jahr 2019 „Für eine Kirchenreform jetzt!“ bringt eine Wegbeschreibung für eine Kirche, die im Heute bestehen kann. Und leider auch die Notwendigkeit, beim Thema Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt immer bei den Verantwortlichen zur Umsetzung nachfragen zu müssen. Persönlich bin ich hier mittlerweile der festen Überzeugung, dass es hier nur mit staatlicher Invention zu Veränderungen kommt. Die kirchliche Hierarchie ist da bislang über den Ankündigungsmodus nicht hinausgekommen.

Positiv nehme ich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit anderen Räten, insbesondere mit den Sprechern des Priesterrats und des Diözesanpastoralrats, mit. Da ist es gelungen, in den Heute-Bei-Dir Prozess auf der Zielgeraden die Perspektiven der Räte einzubringen.

Diesem Prozess stand der Diözesanrat doch immer sehr kritisch gegenüber?

Man hätte sich sicher viel negative Energie gespart, wenn diese Perspektive der Räte von vorneherein mit eingebunden worden wäre. Aber das ist Schnee von gestern. Jetzt wird es darauf ankommen, die langen, vielleicht sogar überlangen Beratungen zu Ende zu führen und dann mit Ergebnissen in eine Umsetzung zu kommen, die für die Gläubigen und Engagierten spürbar wird z.B. z. B. was Nachhaltigkeit für Menschen im Rheinischen Revier konkret bedeutet oder welche Pfarreistrukturen zukünftig wirksam sein sollen. Und es gibt eine Reihe von Themen, die gar nicht abgebildet sind, die Partnerschaft mit Kolumbien zum Beispiel.

Sie werden also auch aus dem Synodalkreis ausscheiden, der jetzt für diese letzte Phase des Heute-Bei-Dir-Prozesses eingerichtet wurde? Wie sehen Sie die Arbeit dieses Kreises?

Die Mitwirkung dort war ja laut Geschäftsordnung an den Diözesanrat gebunden, also geht sie ebenfalls zu Ende. Die Kultur der Beratung in diesem Kreis ist zunächst positiv. Das liegt weniger an der Methode des sogenannten Konsentverfahrens, die meines Erachtens sehr überschätzt wird. Vielmehr ist es die Bereitschaft aller Beteiligten, einschließlich Bischof Dieser und seiner Verwaltung, sich auf Argumente einzulassen. Aber an vielfach beratenen Papieren mangelt es ja nicht in der katholischen Kirche. Die Umsetzung ist entscheidend. Deshalb sind aus Sicht des Diözesanrates Themen wie Gewaltenteilung und Rechenschaftspflicht der Kleriker und aller Gewählten so wichtig. Sie zwingen zur Selbstkontrolle, auch in der Umsetzung.

Aber sprechen nicht die Ergebnisse der gerade stattgefundenen Rätewahlen und der Kirchenvorstandswahlen eine andere Sprache? Die Wahlbeteiligung lag unter 4 Prozent.

Das ist ein wunder Punkt! Die Frage, wie die Repräsentanz von Kirchenmitgliedern in den Gremien verbessert werden kann, und welche Strukturen Ehrenamt zukünftig ermöglichen oder verhindern, liegt auf dem Tisch. Derzeit kursiert in der katholischen Kirche, von Papst Franziskus angestoßen, ein großes Zauberwort namens Synodalität. Noch ist sehr unbestimmt, auch im Bistum Aachen, was damit gemeint ist. Da lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Der Theologe Michael Seewald hat in der letzten Vollversammlung des Diözesanrates auf die Gefahr einer erneuten Beteiligungssimulation und auf das Zerrbild von Demokratie hingewiesen, das teilweise mittransportiert wird, zum Beispiel eine ziemlich unreflektierte Verkürzung der Demokratie auf Mehrheitsentscheidungen. Als demokratisch geschulte Katholikinnen und Katholiken müssen wir da sehr genau hinschauen, wie Beteiligung aller Gläubigen gewährleistet werden soll. Dazu gehört die selbstkritische Frage, wie divers unsere eigenen Gremien besetzt sein können und wie Zugangswege zukünftig verbessert werden können, um mehr Beteiligung zu ermöglichen.